Ein "unzulässiger" Vergleich...

 

"Das darf man nicht miteinander vergleichen..."

...bekommt jeder früher oder später entgegnet, der es wagt, die in Deutschland und Österreich jährlich an mehreren zehntausend kleiner Jungen durchgeführte männliche Beschneidung mit der gesellschaftlich geächteten, aber in unseren Breiten extrem seltenen weiblichen Genitalbeschneidung zu vergleichen. Warum eigentlich nicht? Es liegt auf der Hand, Parallelen zwischen weiblicher und männlicher Beschneidung zu ziehen. Doch interessanterweise wird in der veröffentlichten Meinung der Eingriff am männlichen Genital möglichst heruntergespielt: Bei Knaben und Männern handle es sich um eine angeblich unproblematische, kleine, ja sogar gesundheitsfördernde, ungefährliche Operation ohne jegliche Risiken(!), allein bei Frauen sei diese lebensbedrohend und dürfe überdies mit der männlichen Beschneidung in keiner Weise verglichen werden. Dabei werden nämlich immer Äpfel mit Birnen verglichen: Hier einmal ein Apfel/Birnen-Vergleich, um dem einen oder anderen die Augen zu öffnen einmal mit vertauschten Rollen:

 

Eine über Internet verbreitete Nachricht von AFP: Gefährliche Rituale beim Übergang vom Jungen zum Mann

Von Sibongile Khumalo (AFP) – 07.01.2010 

Libode — Wer Glück hat, überlebt das archaische Beschneidungsritual mit verstümmeltem Penis und beschämenden Narben. Wer Pech hat, stirbt daran. Für den Übertritt ins Erwachsenenleben, bezahlen junge Männer im ländlichen Südafrika einen hohen Preis. Beim Volk der Xhosa in der Eastern Cape-Provinz markiert das Ritual einen buchstäblich wichtigen Einschnitt im Leben der jungen Männer. Jedes Jahr aber sterben Teenager an Komplikationen, da die Initiationsriten oft von traditionellen und schlecht ausgebildeten Medizinmännern vorgenommen werden. 

Zwei Mal im Jahr strömen junge Xhosa zu den traditionellen Initiationsschulen aufs Land, da die schnellere und weniger schmerzhafte medizinische Beschneidung oft nicht anerkannt wird. Zu ihnen gehört auch Athenkosi Mtirara; er will es den Männern seiner Familie gleichtun: "Solange Du nicht beschnitten bist, betrachtet Dich die Gesellschaft nicht als Mann, egal wie alt zu bist, dann wirst Du immer ein Junge bleiben. Keiner will damit leben", sagt der 18-Jährige kurz vor seiner Beschneidung. Angst hat er nicht, sagt er: "In meiner Familie ist noch niemand daran gestorben. Mein älterer Bruder hat mir gesagt, was ich vermeiden soll, damit meine Operation glatt geht." Danach werde er seine ganze alte Kleidung wegwerfen - Symbol für den Beginn seines neuen Lebens als Mann. 

Mehr als 200 Teenager sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums der Provinz in den vergangenen 15 Jahren an stümperhaften Beschneidungen gestorben, 90 verloren bei solchen Operationen ihren Penis. "Angesichts der Tatsache, dass sich das auf eine einzige Region konzentriert, ist das eine sehr hohe Zahl", findet Ministeriumssprecher Sizwe Kupelo. 

Vor acht Jahren, wurde das Alter für die Beschneidungen gesetzlich auf 18 Jahre heraufgesetzt. Doch noch immer gibt es 15-Jährige, die sich Kurpfuschern anvertrauen. Für ihre Dienste verlangen diese Ärzte gerade mal 100 Rand (neun Euro), oft wird auch eine Flasche Brandy oder ein Huhn als Bezahlung akzeptiert. 

Laut Kupelo sind diese traditionellen Beschneider das Problem. Vor allem im Busch seien sie unzureichend ausgebildet. Die Beschneidung der Vorhaut werde ohne Betäubung und mit traditionellen, nicht sterilisierten Geräten vorgenommen. "Die Jungen werden erst ins Krankenhaus geschickt, wenn es zu spät ist", klagte der Sprecher. Er beschreibt den Fall eines 16-Jährigen, der im Juni mit Wundbrand ins Krankenhaus gebracht wurde - sein Glied hatte sich nach der Beschneidung entzündet, der Beschneider aber ignorierte es bis zum Schluss; der Penis war nicht mehr zu retten. "Die Mehrheit der Teenager, die ihren Penis amputiert haben mussten, begehen schließlich Selbstmord", warnt Kupelo. "Sie können mit der Scham nicht leben." 

Nach der Operation, verbringen die jungen Männer bis zu vier Wochen in den inoffiziellen Beschneidungsschulen im Busch. Während die Wunde heilen soll, werden ihnen die Werte ihres Volkes nahe gebracht. Wer diese Zeit nicht bis zum Ende durchhält oder im Krankenhaus landet, lebt oft mit dem Stigma, kein richtiger Mann zu sein. Manche Jugendliche sterben nach Angaben der Behörden in den Schulen an Unterkühlung, Wassermangel oder ungestillten Blutungen. 

Die Fälle könnten weiter zunehmen, da Südafrika junge Männer zur Zirkumzision ermuntert - Studien zufolge sinkt bei beschnittenen Männern das Risiko, sich mit Aids zu infizieren, um die Hälfte. Das ist in einem Land, das weltweit die meisten Aids-Fälle hat, ein gutes Argument. Zulu-König Goodwill Zwelithini kündigte im Dezember an, er wolle die Praxis unter der größten Volksgruppe Südafrikas wiederbeleben, um die Immunschwächekrankheit zu bekämpfen. 

Im November appellierten die Behörden an die Stammesführer der Region, zur Vermeidung von Verstümmelung und Todesfällen bei Beschneidungen zumindest einfachste Regeln zu befolgen - wie die Sterilisierung der Messer. 

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Ist der Vergleich zwischen Mädchen-Beschneidung und Jungen-Beschneidung wirklich so unberechtigt?

Es gibt nicht die "eine" weibliche Beschneidung, die einfach der "harmlosen" männlichen Beschneidung entgegen gestellt werden könnte, sondern unterschiedliche Varianten von unterschiedlichen Schweregrad von denen einige Formen gravierender aber andere Formen weniger gravierend als die Vorhautbeschneidung sind. 

Warum wird die Beschneidung von Jungen toleriert während gleichzeitig nach geltender deutscher/österreichischer/Schweizer Rechtsprechung alle Formen weiblicher Genitalverstümmelung verboten sind- selbst die Formen, die weniger gravierend sind als die männliche Vorhautbeschneidung, während letztere toleriert und verharmlost wird? Eine sinnvolle Antwort kann auf diese Frage nicht gegeben werden. 

Doch es gibt sogar noch schlimmere Varianten der Knabenbeschneidung: Bei manchen Stämmen Afrikas, Polynesiens oder den australischen Aborigines wird die gesamte Harnröhre längs aufgeschlitzt, beziehungsweise die Schwellkörper längs aufgeschlitzt oder der Penis ganz bis zum Ansatz gehäutet... 

Wenn man jetzt das Ganze mit einer Mädchenbeschneidung bei uns im Krakenhaus vergleicht, unter Narkose, hygienischen Bedingungen, sowie Nachbetreuung mit Schmerzmittel, dann kann man auch leicht behaupten, die Knabenbeschneidung sei tödlich und schlimm, während die Mädchenbeschneidung ganz ungefährlich sei. Überdies werden nur 10% der Mädchenbeschneidungen in der schlimmsten Variante- pharaonische Beschneidung durchgeführt, während die Beschneidung nach Sunna nur Einritzen oder Einschneiden der Klitorisvorhaut bedeutet. 

Wir wissen, dass da jetzt Äpfel mit Birnen verglichen wurden. 

Entgegen den vergleichenden Befürwortern der Knabenbeschneidung gibt es keine medizinisch-wissenschaftliche Begründung für die Meinung, dass die Jungenbeschneidung erlaubt sein solle und allein die Mädchenbeschneidung jeglichen Schweregrades verboten. Die willkürliche und kulturell bestimmte Unterscheidung zwischen der "guten, harmlosen" Beschneidung von Jungen und der "schrecklichen" "Beschneidung" von Mädchen hat keine sachliche oder medizin-wissenschaftliche Grundlage. Jedweder operative Eingriff an den Genitalien von Kindern ist mit Risiken, körperlichem Schmerz, psychischen Trauma und garantierten lebenslangen Nachteilen verbunden. 

Offizielle Stellen unterscheiden sehr eilig in "schützenswerte" Mädchen einerseits und "Freiwild" Knaben andererseits: Unter Herabspielung des Leidens der Buben behandeln diese die Geschlechter völlig ungleich in der Beurteilung deren Beschneidung: Die Mädchenbeschneidung wird auf Grund der Grausamkeit und aufgetretenen Todesfälle zwar richtigerweise sofort abgelehnt, doch bei Jungen ist auf einmal alles anders. Trotz ebenso schmerzhafter und grausamer Vorgangsweise – es werden immerhin die sensibelsten Stellen des Körpers amputiert -wird nur vage die Verwendung sterilisierter Messer empfohlen. Wenn die Jungen diese Tortur wenigstens überleben, ist es auch schon in Ordnung, und wenn nicht, dann schließen diese Offiziellen ihre Augen und Ohren ganz fest und weigern sich diese Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen. 

Wir meinen: Egal ob Jungen oder Mädchen: Das ist ein Eingriff in die sexuelle Integrität.  

Während die Beschneidung weiblicher Genitalien ohne medizinische Indikation aufgrund des Rechts auf körperliche Unversehrtheit und gerade in Bezug auf Minderjährige, insbesondere in westlichen Ländern, strafverfolgt wird, werden entsprechende Maßstäbe nur sehr begrenzt auf die männliche Beschneidung angewandt. Bei letzterer wird dann achselzuckend auf religiös-kultische Begründungen verwiesen, wie zum Beispiel die jüdische Brit Mila, welche dem männlichen Säugling in der Regel am 8. Tag nach seiner Geburt zugemutet wird.  

Obwohl auch vereinzelt an der Beschneidung männlicher Neugeborener Kritik geübt wird und Rechtsexperten den Straftatbestand der Körperverletzung als gegeben ansehen, ist diese in den meisten westlichen Ländern (mit Ausnahme von Schweden) ohne wirksame Strafbedrohung der Sorgeberechtigten oder des Arztes durchführbar. Religiöse und kulturelle Motive werden gesellschaftlich als Rechtfertigung für die Zirkumzision weitgehend akzeptiert. Bei der weiblichen Beschneidung werden entsprechende Begründungen hingegen abgelehnt, denn was bei Jungen als kulturelle Notwendigkeit dargestellt wird, gilt bei Frauen und Mädchen -zurecht- als  traumatisierende und entwürdigende Verstümmelung.