VOM RITUAL ZUR WISSENSCHAFT:

DIE MEDIZINISCHE TRANSFORMATION DER ZIRKUMZISION IN AMERIKA 

Von David L. Gollaher 

California Health Care Institute

 

Die Verstümmelung der Genitalien unter verschieden Stammesvölkern der Welt stellt eine seltsame und unergründbare menschliche Idee dar, die man nicht mit dem Verstande aussöhnen kann. Warum solche Bräuche in Mode kamen, kann keiner zur gegenwärtigen Zeit sagen; aber wir müssen annehmen, dass sie zu einer bestimmten Zeit ihre Bedeutung hatten, die im Laufe der Zeiten verloren ging, und dass die Praktik von Generation zu Generation weitergereicht wurde.
 J. Henry C. Simes, "Circumcision" (1890), S. 375

 

Die Operation der Zirkumzision ist eine, die aus moralischen Gründen durchgeführt werden kann; eine die aus hygienischen Gründen verlangt hat; eine die häufig aufgrund pathologischer Zustände notwendig ist; und letztlich eine von zweifellosen prophylaktischen Bedeutung.
J. Henry C. Simes, "Circumcision" (1890), p. 383 [1]

 

Seit den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts ist die Neugeborenenbeschneidung die am häufigsten durchgeführte Operation in den USA. Seit Generationen ist diese Operation tatsächlich so gewöhnlich, dass Ärzte und Eltern sie selten überhaupt als Operation betrachten. Allen Anzeichen nach, wurde die Operationen ohne große Bedenken durchgeführt, so als ob sie einfach zur Routine der Geburt dazugehöre wie das Durchtrennen der Nabelschnur. Jedoch in diesem Umstand unterscheidet sich Amerika auffallend von Westeuropa und übrigens auch vom Rest der Welt, wo die Beschneidung generell ein religiöses Ritual oder ein seltener medizinischer Eingriff zur Behandlung spezifischer Krankheiten blieb. [2]

Wie konnte eine ritueller Eingriff, älter als die Zivilisation selbst, sich so fest in der medizinischen Standardpraxis Amerikas verankern? Und wie gelang es einer Operation, deren Vorteile niemals schlüssig verifiziert wurden (obwohl sie weiterhin kontrovers diskutiert werden) bis zum heutigen Tag zu überdauern? [3]

Lewis Albert Sayre (1820–1900)

Die Medizingeschichte der Beschneidung in den USA beginnt richtig am 9. Februar 1870. An diesem Morgen wurde Dr. Lewis A Sayre von einem Kollegen, dem eminenten New Yorker Arzt James Marion Sims herbeigerufen, der ihn wegen einem verwirrenden Fall zu Rate ziehen wollte. "Bitte lassen Sie mich wissen zu welcher Stunde sie zu meinem Haus kommen können, um sich den Sohn von Mr. M aus Milwaukee anzusehen," schrieb Sims. "der kleine Kerl hat ein paar Beine, dass sie meilenweit laufen würden, um diese sehen zu können." Sayre war zu dieser Zeit Amerikas führender orthopädischer Chirurg, ein angesehener Lehrer und Gelehrter, eine Autorität auf dem Gebiet der Anatomie der Knochen, Gelenke und Muskeln. Fasziniert von der Aussicht eine seltene muskoskeletale Erkrankung zu sehen, lies er seine Arbeit liegen und machte sich sofort auf den Weg. Als er ankam, begegnete Sayre "einem wunderschönen kleinen Jungen von fünf Jahren, aber übermäßig weiß und zerbrechlich in seiner Erscheinung, unfähig ohne Hilfe zu laufen oder aufrecht zu stehen, und mit Knien, die   in einem 45 Grad Winkel gebeugt waren." Sims, so stellte sich heraus, hatte ihn herbei bestellt, um eine Tenotomie durchzuführen, jener drastischen Behandlungsmethode, bei der die Kniesehnen des Kindes durchtrennt werden sollten. [4]

Nachdem er jedoch den Patienten untersuchte, schlussfolgerte Sayer, "die Missbildung war Folge von Paralyse und nicht von Kontraktion, und es wäre deshalb notwendig die Vitalität in diesen teilweise gelähmten äußeren Muskeln wiederherzustellen, und nicht die scheinbar kontraktierten Beugemuskeln zu durchschneiden." Aber die Ursache der Paralyse war ein Rätsel. Es gab keine Krankengeschichte einer Verletzung und es schienen keine weiteren Symptome der Krankheit vorzuliegen. Verwirrt und entschlossen der Ursache des Problems aufzuspüren, entschied er sich schließlich die Reflexe des Jungen zu testen, indem er einen elektrischen Strom an seinen Beinen anwendete. Während er das tat, rief die Krankenschwester des Kindes, "Oh Doktor-seien Sie sehr vorsichtig-berühren sie nicht seinen Pimmel-er ist sehr wund," Eine Untersuchung der Genitalien des Patienten zeigte, dass der Penis normal war außer dass "die Eichel sehr klein und pointiert war, eng umschlossen in der zusammengezogenen Vorhaut, und in seinem Bestreben zu entkommen wurde der Meatus urinarius so geschwollen und rot wie im Falle einer schwerwiegenden granulären Urethritis." Es handelte sich dabei laut der Schwester um einen chronischen Zustand. Oft wache er vor Schmerzen nachts auf, da die Genitalien des Kindes so empfindlich wären, dass selbst die leichte Reibung der Nachtkleidung schmerzhafte Erektionen verursachte. Als er so über diese Information nachdachte, stellte sich Sayre plötzlich vor, dass er die Ursache des Problems des Jungen kannte. "Da exzessiver Geschlechtsverkehr eine ergiebige Quelle körperlicher Erschöpfung sei, der manchmal Lähmungen verursache," erklärte er hinterher, "war ich dazu geneigt diesen Fall im gleichen Lichte zu betrachten und riet zur Zirkumzision als Mittel zur Befreiung des gereizten und eingeschlossenen Penis." [5]

Er war sich seiner Diagnose so sicher, dass er den Jungen ins Bellevue Hospital bringen lies um dort die Operation seinen Studenten zu demonstrieren. Am darauffolgenden Tag, nachdem der Patient anästhesiert war, zog Sayre die Vorhaut nach vorn und schnitt sie mit einer Schere ab. Zu seinem Erstaunen "[blieb] der muköse Abschnitt ziemlich fest nahe der Harnröhrenöffnung anhaften." Deshalb beendete er den Eingriff, indem er die "verdickte Schleimhaut mit den Daumen und Fingernägeln beider Hände packte" und von der Eichel abriss. Diese Operation-was ihr auch immer an Eleganz gefehlt haben mag- schien ein wundersames Resultat zu bewirken. Vom ersten Tag an begann sich die Gesundheit des Kindes zu verbessern. Seine Backen bekamen wieder Farbe. Bald bekam er auch wieder Appetit, schlief ruhig und war innerhalb ein paar Wochen "fähig mit ziemlich aufrechten Gliedern zu laufen" So unwahrscheinlich, wie es schien, Sayre postulierte, dass die Beschneidung geholfen hätte, "indem sie einfach sein Nervensystem beruhigte, da sie seine eingeschlossene Eichel befreite", und die Gesundheit des jungen Patienten wiederhergestellt hätte.[6]

Während sich der Fünfjährige erholte, führte der Chirurg ein ähnliches Experiment durch, diesmal an einem teilweise gelähmten Sohn eines bekannten New Yorker Anwalts. Dieser Junge war im Jugendalter. Seit einem Jahr hatte Sayre versucht seine Lähmung mit Elektrizität zu behandeln, hatte "jeden zehnten Tag Strychnin in seine gelähmte Muskeln injiziert," und ihm Eisen und andere Tonika verabreicht. Aber nichts half. Nun, inspiriert von seiner neuer Theorie, empfahl Sayre auch in diesem Falle eine Beschneidung zu probieren. Der besorgte Vater, äußerte den Verdacht, sein Sohn "sei der Masturbation schuldig". Wieder einmal war das Ergebnis wundersam. Innerhalb ein paar Wochen nach der Operation, berichtet Sayre, verschwand jedwedes Symptom der Lähmung und die allgemeine Gesundheit des Burschen verbesserte sich so dramatisch, dass "seine engsten Freunde ihn kaum wiederkannten." [7]

In den folgenden Monaten, Stellte Sayre die Hypothese auf, dass die Irritation der Genitalien eine Ursache vieler Varianten von Lähmung und Hüftgelenkskrankheiten wäre, die sich konventionellen Behandlungsmethoden widerspenstig widersetzten. Im April 1870 machte er damit weiter indem er drei kleine Jungs behandelte, die an Hüftproblemen litten, die sie zu Krüppeln machten, indem er ihre Vorhaut von der Eichel löste. "Diese kleine Operation" so schrieb er " erfülle all die Aufgaben der Zirkumzision, und besänftigte gleichzeitig die nervöse Reizbarkeit." Kurz danach mit einem offenkundigen Gefühl der Entdeckung und Erregung, veröffentlichte er seine Befunde in den Transactions of the American Medical Association, mit dem sicheren Gefühl das Geheimnis eines ganzen Schwarms von Krankheiten entschlüsselt zu haben. "Viele Fälle von reizbaren Kindern mit unruhigem Schlaf und schlechter Verdauung, die oft auf Würmer zurückgeführt werden, seien allein die Folge der Reizung des Nervensystems, die durch eine verklebte Vorhaut verursacht würde," behauptete Sayre, "Hernien und Entzündungen der Blase könnten auch Folge des stark schmerzhaften Wasserlassens in einigen dieser Fälle von verengter Vorhaut sein. "Bis dahin", So erzählte er seinen Ärztefreunden, " die medizinischen Standardtexte hätten die genitalen Missbildungen und die schwächenden Reizungen, welche sie verursachen größtenteils ignoriert." Überzeugt davon, dass die Aufmerksamkeit der Profession niemals ausreichend darauf gerichtet war, erklärter er: "Ich hielt es für ratsam, die oben berichteten Fakten der Association vorzulegen, um Aufmerksamkeit für dieses Thema zu erregen." [8]

Wie sich später herausstellte, waren seine Befunde nicht gänzlich neu. Fünf Jahre zuvor hatte ein englischer Arzt namens Nathaniel Heckford einen Artikel mit dem Titel Circumcision as a Remedial Measure in Certain Cases of Epilepsy, Chorea, etc. (1865) veröffentlicht. Dieses Pamphlet stammte aus seiner Arbeit am East London Kinderkrankenhaus (eine Anstalt, die er selbst gegründet hatte), wo er chirurgische Experimente durchführte, die jenen Sayrers mehrere Jahre später ähnlich waren. Aber Heckford fand in England kaum Beachtung, sein Fachbericht wurde nicht in Amerika veröffentlicht, und es bleibt unklar, ob Sayer es jemals zu lesen bekommen hatte oder nicht.

Sayres Arbeit löste dagegen großes Interesse aus. Dies war nicht nur eine Anerkennung seiner erstaunlichen Rückschlüsse sondern auch des hohen Ansehens und der Tatkraft des Autors. "Er war ein Philanthrop und Missionar wie auch ein Chirurg" schrieb ein früher Historiker der orthopädischen Chirurgie über ihn. Sayre -ein Mann, der seine Herkunft stolz bis auf die Mayflower zurückverfolgte- wurde 1853 im Alter von 33 Jahren zum Chirurg am Bellevue Hospital ernannt. Dort machte er sich schnell einen Namen. 1859 wurde sein Verantwortungsbereich auf das New Mayor City Irrenkrankenhaus auf Blackwell Island ausgeweitet. Als der Bürgerkrieg ausbrach, ernannte ihn der Bürgermeister zum Amtsarzt von New York City, ein Amt in dem er sich für gesundheitliche Reformen einsetzte, einschließlich der Inspektionen der Mietkasernen und einer ordentlichen Abwasserentsorgung. 1866 war er derjenige Beamte, der die Quarantäne des Dampfers Atlanta im New Yorker Hafen anordnete, nachdem er von Berichten erfuhr, denen zufolge an Board die Cholera ausgebrochen war. Während seiner Arbeit im städtischen Gesundheitsrat, wurde ihm nachgerühmt ein Wiederauftreten der verheerenden Cholera-Epidemie von 1849 verhindert zu haben. Seine Professur am Bellvue Medical College war der erste Lehrstuhl für orthopädische Chirurgie in den USA überhaupt, und er nutzte ihn als eine Plattform für Innovationen. Um Wirbelsäulenverkrümmungen und Wirbelentzündung zu behandeln, beispielsweise, entwarf er einen Körperkasten aus Stuckgips um die Wirbelsäule aufzurichten. Seine Vorträge zur Orthpädischen Chirurgie und Erkrankungen der Gelenke (1876), basierend auf seiner Lehrtätigkeit in Bellevue, ging durch ein dutzend Ausgaben, und stellten die Standardreferenz für eine ganze Generation von Chirurgen dar. Er war der geborene Organisator: Die treibende Kraft in der New Yorker pathologischen Gesellschaft; ein Beamter der New Yorker Acadamy of Medicine, und 1866 Vizepräsident des frisch gebackenen Amerikanischen Ärztebundes, der American Medical Association (AMA); Seines unermüdlichen Strebens für die Interessen seines Standes wegen, wählte 1888 die Ärzteelite Lewis Sayre zum Vorsitzenden der AMA. Zu seinen bleibenden beruflichen Leistungen zählte Sayres Bestreben die veröffentlichen Transaktionen der Organisation aufzuwerten, die er Journal of the American Medical Association taufte. [9]

Wenn ein Mann von Sayres Erfahrung, Reputation, und beruflicher Stellung darauf pochte, dass ernsthafte orthopädische Erkrankungen durch eine verhältnismäßig einfache Operation an der Vorhaut geheilt werden konnten, dann war die Ärztewelt bereit ihn ernst zu nehmen.

Den Großteil der drei Jahrzehnte, bis zu seinem Tode 1900, warb er weiterhin enthusiastisch für die Beschneidung, und entdeckte dabei ein erstaunlich großes Spektrum an Vorteilen, die mit der Operation in Verbindung stünden. Nicht nur orthopädische Probleme sondern auch Epilepsie, Hernien und selbst Wahnsinn schienen auf die Beschneidung anzusprechen. 1875 gab er ein Pamphlet heraus, Spinal Anemia with Partial Paralysis and Want of Co-operation from Irritation of the Genital Organs (Spinale Anämie mit Partieller Lähmung und Mangel an Kooperation durch Reizung der Genitalorgane), in welchen er behauptete, dass durch die "periphere Reizung" der Vorhaut eine "Geistesstörung der Muskeln," ausgelöst werden könne, wobei die Muskeln "von alleine und unfreiwillig agierten… ohne die kontrollierende Macht des Gehirns der Person."[10]

Um seine These zu beweisen, schilderte er einen Fall eines achtzehn Monate alten Jungen, der allen Anscheins nach "ein Geisteskranker, ein wahnsinniges Kind" war, das unaufhörlich schrie, und nur schlief, wenn es Laudadum oder Morphin verabreicht bekam. Die Heilung infolge seiner Beschneidung, so prahlte Sayre, war "beinahe ein Wunder; es übersteigt das menschliche Begriffsvermögen, sofern man diese Fälle nicht von Anfang an selbst beobachtet hat." In der Hoffnung ein Heilmittel für bestimmte Formen von Geistesstörungen gefunden zu haben-die aller trügerischsten Krankheiten überhaupt- machte Sayre mehrere Ausflüge zur Staatlichen Irrenanstalt von Manhattan auf Randalls Island, wo er "sorgfältig die äußeren Genitale von siebenundsechzig Kindern untersuchte, und einen Teil davon operierte." Danach war er überzeugt, dass sich die psychischen Symptome mancher Jungen gebessert hätten aber sein chirurgisches Experiment endete in Frustration. Kein Patient erholte sich ausreichend um aus der Anstalt entlassen zu werden. [11]

Doch gelegentliche Rückschläge dämpften Sayres Enthusiasmus nicht. Es ist Zeugnis der großen Bedeutung, die er seinem Werk beimaß, dass er als Gesandter der AMA auf dem Internationalen Medizinerkongress in Philadelphia seine brillante Demonstration seiner Hüftgelenksexzision, (über die Joseph Lister verkündete, "diese Demonstration alleine wäre ein ausreichender Lohn für [s]eine Reise über den Atlantik gewesen") mit einem langen Vortag "Über die schädlichen Auswirkungen einer engen Vorhaut und Präputialadhäsionen" ergänzte. [12]

Sayre entwickelte sein Argument für die Beschneidung in einer Epoche verwegener chirurgischen Experimente an den Genitalien beider Geschlechter. Reflexneurose -die Theorie, dass es ein kompliziertes Netz nervöser Affinitäten gebe, die durch die Wirbelsäule zu jedem Organ des Körpers verliefen und folglich jedes Organ seine eigene Einflusssphäre auf die körperliche und geistige Gesundheit hätte- war die technische Idee hinter der Mode der Genitalchirurgie. Diese Idee beruhte auf der "Irritations&quot-Theorie, die ihre Wurzeln im 18. Jahrhundert hatte: eine mechanische Vorstellung vom Körper, und besonders des Nervensystems, die viele Erkrankungen auf pathologische Reizungen von Gewebestellen, und später von Zellen, zurückführte. Diese Theorie auf die Spitze treibend, behauptete Rudolf Virchow, der Vater der Zellbiologie, dass Irritationen die heimliche Ursache malignen Zellwachstums wären. Im Grunde genommen gefielen den Ärzten die Theorien über Irritation und Reflexneurose, weil sie andeuteten, dass unerklärliche geistige Störungen und andere rätselhafte Syndrome wie Neurasthenie eine eigenständige körperliche Ursache hätten. Dadurch eröffneten sich auch therapeutische Möglichkeiten. Wenn die Irritation auf ihre Ursache zurückverfolgt werden konnte, so konnte sie vermutlich auch beseitigt werden. [13]

James Marion Sims (1813 –1883)

Beginnend in den frühen 1870ern, inspiriert von der Reflextheorie, erfanden amerikanische Gynäkologen, geführt von James Marion Sims, hunderte von neuen Genitaloperationen, die zur Linderung psychologischer Symptome bestimmt waren. Den Körper zu beschneiden um den Geist zu heilen konnte zu furchterregenden Praktiken führen. Robert Battey, ein junger Chirurg auf Georgia, beispielsweise der sogenannten "Normale Ovariotomie" seinen Namen. Scheinbar ohne irgendwelche Skrupel, entfernte er Frauen die gesunden Eierstöcke um Symptome zu lindern, die von Hysterie und Neurasthenie bis zu Rückenschmerzen reichten. Auf beiden Seiten des Atlantiks akzeptiert, war Batteys Operation besonders populär in Amerika, wo einem Gelehrten zu folge, sie "kein seltener Eingriff war, der von einer Hand voll Verrückter durchgeführt wurde, sondern eine zentrale Stellung im Arsenal der Gynäkologe des späten 19. Jahrhunderts hatte." [14] Andere Ärzte (einschließlich Sayre selbst, erweckten den verstümmelnden Eingriff der Klitoridektomie zu neuem Leben, und die Klitoris wurde einer Bandbreite von Operationen, Manipulationen, und chemischen Bearbeitungen unterzogen. Diese Praktiken hielten sich Amerika noch lange nachdem sie in Europa in Ungnade gefallen waren.[15]

Auf der theoretischen Ebene fand die Reflexneurose auf beide Geschlechter Anwendung. Man glaubte, dass beide Geschlechter organischen Störungen unterworfen waren, einschließlich pelvischen oder genitalen Irritationen, die vielleicht auf schreckliche Konsequenzen für Leib und Seele hinweisen konnten. Aber in der Praxis waren Operation bei Männern um die sexuelle Funktion zu unterdrücken verhältnismäßig selten. Während es für männliche Chirurgen akzeptabel schien heldenhaft das Skalpell an den Beckenorganen der Frauen zu gebrauchen, und sie sich dabei auch nicht von dem Ausblick abschrecken ließen ihre Patientinnen zu "desexulasieren", führten sie nur wenige Kastrationen aus, auch wenn sie Symptome lebensbedrohlicher Krankheiten feststellten. Selbst wenn sie versuchten die Genitalchirurgie auf Männer und Jungen zu erweitern, gibt es keinen Grund zu Annahme, dass sie die Einwände der Männer hätten überstimmen können. Zweifellos stellten sie fest, dass in einer Epoche, die dazu neigte weibliche Sexualität zu verunglimpfen, Frauen nachgiebiger waren, was das Diktat der ärztlichen Autorität anbelangte. 

Rückblickend fällt jedoch auf, dass während die weibliche Genitalchirurgie allmählich zurückging, die männliche Beschneidung schließlich zur Standard-Praktik wurde. Darüber hinaus wurden Eingriffe wie Klitoridektomie und "normale Ovariotomie" selbst in den Tagen ihrer größten Akzeptanz, nur an einer kleiner Minderheit amerikanischer Frauen durchgeführt. Die Beschneidung aber, die im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts demokratisiert wurde, wurde anschließend auf die Mehrheit der männlichen Bevölkerung ausgedehnt. Die ersten ärztlichen Befürworter der Operationen waren Ärzte die der Logik und dem Beispiel Sayers folgten; aber diesen Männern folgten andere, die darauf beharrten, dass es angebracht und heilsam wäre diese Operation Patienten durchzuführen, die keinerlei Krankheitssymptome zeigten.  

Vor den 1870ern waren die wichtigste medizinische Indikation für die Zirkumzision Krebs Läsionen und Phimose, eine anormale Konstriktion oder Verengung der Vorhaut die deren normale Funktion störte. Der Beweggrund für die Operation um erkranktes Gewebe oder akute Entzündungen infolge der Phimose zu lindern war offenkundig. Fälle von Phimose, die schwer genug waren um eine Operation zu erfordern waren dennoch selten, und Jahrhunderte lang wurde sie für eine seltenes Leiden gehalten, Lehrbücher und Fachzeitschriften vor den 1870ern, wenn sie das Thema überhaupt erwähnten, behandelten es nur oberflächlich.

Was Sayer tat, war, dass er Ärzte darauf trainierte genitale Irritationen zu suchen, wenn sie mit verwirrenden und scheinbar beziehungslosen Symptomen konfrontiert wurden. Bevor er Alarm schlug, so schrieb ein führender Chirurg aus Georgia "blieben kongenitale Phimose und verklebte Vorhaut als eine Ursache für Lähmungen, Reflexmuskuläre Kontraktionen, Verkrümmungen der Wirbelsäule und erworbene Missbildungen, von der Ärzteschaft völlig unbeachtet." Traditionellerweise beschrieben Ärzte die Phimose als ein lokales Leiden. Sayre dagen charakterisierte sie als systemisch: ein immerwährender Zustand der Aufregung, Erregtheit, und nervöser Irritation, die den ganzen Körper durchdrang. Als der erste Arzt, der diese ursprüngliche Theorie formulierte, so meinten seine Standesgenossen, verdiene Sayre "Anerkennung die Ärzteschaft über diese Krankheit des Genitalapparats wachgerüttelt zu haben." Nachdem er die "Reflexartigen nervösen Konsequenzen der genitalen Irritation" etabliert hatte, kommentierte ein bewunderungsvoller Leitartikel in den Louisville Medical News, bestätigten Ärzte aus dem ganzen Land seine Beobachtungen mit "Fakten einer ähnlicher Tragweite", die sie ihren eigenen Fällen entnahmen. [16]

Ein Arzt aus Louisville folglich, unfähig etwas zu machen um die Krämpfe und das hohe Fieber eines Säuglings zu behandeln, beschnitt ihn. Zwei Tage später hatte sich das Baby erholt. In einem anderen Fall berichtete E.P. Hurde wie er einen fünf-Monate-alten Jungen untersuchte, der an Keuchhusten, chronischem Schreien und unerklärlicher Gewichtsabnahme litt. Als er feststellte, dass "unser kindlicher Leidende an einer leider vernachlässigten Phimose litt", schnitt Hurd seine Vorhaut ab- einen Eingriff, dessen Feinheit er mit der Resektion "des Oberschenkelknochens eines Grasshüpfers" verglich. Vor der Operation enthielt der Urin des Babys "reichlich von einem Sediment aus Urinsäure und kristallinen Strukturen." Danach verschwand diese Lithurie, was Hurd zu dem Schluss gelangen ließ, dass die Irritation der Vorhaut die Nierenfunktion behindert haben müsste. [17]

Als Ärzte eine wachsende Liste von Krankheiten als Folge von "Phimose und verklebter Vorhaut" identifizierten, drifteten sie in ein Muster ab diese Begriffe in sehr großem Umfang zu verwenden. Ein Teil des Problems war, dass es von Extremfällen angesehen keine klaren Richtlinien gab, die festlegten, was eigentlich normal, und was möglicherweise pathologisch war. In einer typischen Passage behauptete Norman H. Chapman, ein Jünger Sayres, der als Professor für Nerven und Geisteskrankheiten an der Universität von Kansas City diente, dass, während niemand die Häufigkeit der kongenitalen Phimose als Prozentanteil von allen männlichen Geburten tabellarisch geordnet habe, diese doch sehr viel höher sein müsste, als die Leute dachten. "Auf jeden Fall", so fuhr er fort, da "eine lange und verengte Vorhaut" die Ursache für "sekundäre Komplikationen ist… ist es immer eine gute Operation diese Missbildung zu korrigieren …als eine Vorsichtsmaßnahme, auch wenn sich noch keine Symptome gezeigt haben" In dieser Hinsicht könnten Christen etwas von den Juden lernen. "Mose war ein guter Sanitär," observierte Chapman, "und wenn die Zirkumzision zur heutigen Zeit häufiger praktiziert würde, so glaube Ich, würden wir weit weniger häufig von den Schandtaten und Torheiten der Jugend hören; und unsere  Tageszeitungen wären nicht so übermäßig überschwemmt von allen möglichen Wunderkuren für den Verlust der Männlichkeit." [18]

Chapmans Wortwahl verdeutlicht einen bedeutenden Gedankenwandel. Hier war ein Arzt, der für die Beschneidung nicht ausschließlich als Mittel zur Erleichterung der Reflexirritation argumentierte sondern als eine präventive Hygienemaßnahme. Neue Gründe für den Eingriff waren wichtig, wenn größere Akzeptanz gewonnen werden sollte, weil die Reflextheorie, die in manchen Kreisen schon längere Zeit suspekt war, immer stärker kritisiert wurde. Tatsächlich bereits 1881 hielt ein Arzt aus Brooklyn namens Langdon C. Gray in einem direkten Angriff auf Sayre einen Fachvortrag vor der Ney Yorker Neurologischen Gesellschaft in der rundheraus erklärte "in nicht einem der Fälle der Reflex-Paralyse, die angeblich Folge genitaler Irritation sei, die bis heute publiziert wurden, gäbe es einen schlüssigen Beweis dieses Zusammenhangs zwischen Ursache und Wirkung." Stillschweigend aber konnte selbst ein Arzt der Zweifel an der Reflextheorie hatte immer noch die Beschneidung als eine gesundheitliche Reform gutheißen. [19]

Genau das war die Einstellung von J. M. McGeee. War er zunächst enthusiastisch, nachdem er zuerst Sayres Artikel las, versuchte er ähnliche Resultate mit gelähmten Kindern in seiner eigenen Praxis zu erzielen. Zu seiner Bestürzung aber war die Beschneidung ohne jedweden Erfolg und seine Bemühungen endeten in einer "traurigen Enttäuschung." Nichtsdestotrotz stellte er bei seinen weiteren Versuchen mit der Operation fest, dass die Beschneidung glückliche Zufallseffekte hatte. Ein Junge mit einem schlimmen Fall "von tuberkularer Meningitis wurde zeitweise weniger reizbar, schlief besser usw., einer mit Rückenmarkentzündung, die das Vorderhirn mit betraf, zeigte eine 'deutliche Besserung'. Ein Junge mit einer Messingvergiftung wurde vollständig geheilt!" McGee gestand offen, dass er nicht ergründen konnte, warum die Amputation der Vorhaut diese unterschiedlichen Erkrankungen lindern konnte, doch in seiner letztendlichen Analyse kam er zur folgenden Lösung: 

    ob sie heilbringend ist oder nicht, sie ist konservativ, und entfernt eine Quelle der Irritation von einem äußerst empfindlichen Organ. Ich würde die Beschneidung gutheißen, aber unabhängig von einer existenten Krankheit als eine gesundheitliche Präventionsmaßnahme.... (1.) Die Entblößung der Eichel gegenüber Reibung, etc., erhärtet sie und mindert ihre Anfälligkeit gegenüber Hautabschürfungen beim sexuellen Verkehr und damit auch für venerische Geschwüre. (2.) Es ist anerkannt, dass sie nützlich ist als eine Präventionsmaßnahme gegen die Masturbation. (3.) Sie macht die Möglichkeit einer Phimose und einer Paraphimose zweifellos unmöglich. (4.) Sie verhindert die Retention von Talgsekreten und folgender Balanitis. (5.) Sie fördert wahrscheinlich die Keuschheit, indem sie die Lust der sexuellen Begierde verringert. Und ihre Durchführung klärt mit Sicherheit für immer die Frage eines Reflexproblems, zumindest was diese spezifische Ursache betrifft. [20]

Die Phrase "gesundheitliche Präventionsmaßnahme", wie sie hier in dieser Passage verwendet wird, vermischt eine ganze Reihe körperlicher und- was noch bedeutsamer ist-moralischer, sozialer und kultureller Werte. Eine Methode um diese Konnotationen zu entschlüsseln, bietet die historische Studie der Umgangsformen, Bräuche, und persönliches Benehmen. Inspiriert von Norbart Elias bahnbrechendem Werk Über den Prozess der Zivilisation (1939; 1978 ins Englische übersetzt als The Civilizing Process), waren Gelehrte wie Lawrence Wright und Richard L. Bushman bemüht die Entwicklung und die Bedeutung von Verhaltensweisen nachzuverfolgen, die so banal sind wie - Spucken, Furzen, Baden, und so weiter - dass sie vormals kaum als historisch signifikant schienen. Reinlichkeit isei von besonderem Interesse, weil während die Sanitärreform als seine öffentliche Gesundheitsmaßnahme ausgiebig untersucht würde, erhielte die Sanitärreform auf der persönlichen Ebene nur wenig Beachtung.  Doch genauso wie die Amerikaner des 19. Jahrhunderts sich eifrig bemühten die städtische Umwelt zu säubern, änderten sie auch auf die radikale Weise ihrer Standards der persönlichen Reinlichkeit. Im Laufe des Jahrhunderts, wie Richard und Claudia Bushman gezeigt haben, wandelnde sich das Baden "von einer gelegentlichen und willkürlichen Routine eines kleinen Teils der Bevölkerung zu einer regelmäßigen Praktik der großen Masse der Bevölkerung." Der Hauptantrieb hinter den Veränderungen in den Badegewohnheiten, so legten sie nahe, war eine tief-greifende kulturelle Transformation, vor allem ein Streben nach Vornehmheit. Das Waschen mit Seife, das Bürsten der Haare, das Beschneiden der Nägel und andere Handlungen der persönlichen Reinlichkeit und Körperpflege verkörperten allmähliche überlegende Kultiviertheit, und sonderte somit im wörtlichen Sinne die Gewaschenen von den Ungewaschenen ab. [21]

Die Amerikaner gaben Johns Wesleys berühmten Spruch "Reinlichkeit ist nächst der Göttlichkeit" eine neue Wendung. Mehr und mehr setzten sie persönliche Reinlichkeit mit guter Moral, geistiger Gesundheit und aufrechten Charakter gleich. So ermahnte der Viktorianische Moralist William A Alcott seine Leser, "dass derjenige, der seine Person und Kleidung vernachlässigt unten auf der Skala der Moral gefunden werden würde, auch wenn andere Dinge gleich seien, als derjenige, der der Reinlichkeit die nötige Beachtung schenkt." [22] Das selbe Argument könnte breit angewandt angewendet werden. In der späteren Viktorianischen Epoche, ein Zeitalter des von rassischen und sozialen Hierarchien besessen war, hatte es einen Reiz Zivilisationen, Völker, und soziale Gruppen von sauber nach schmutzig zu ordnen. Während sie verstärkt von der Mittelklasse als eine Messlatte der moralischen Wertigkeit und als ein Beweis des materiellen Wohlstands genutzt wurde, "signalisierte Reinlichkeit Kontrolle, spirituelle Vornehmheit, und gute Erziehung; die Unreinen waren vulgär, ungehobelt, und tierisch. Reinlichkeit wurde in anderen Worten zu einem essentielles Kriterium der sozialen Achtbarkeit. Schmutz wurde als eine moralische und damit als eine gesellschaftliche Bedrohung gesehen, deren Gefahren die Leute beharrlich zu umgehen versuchten.[23]

Die sich ändernde kulturelle Bedeutung der Reinlichkeit bietet einen Kontext um die breite Akzeptanz der Beschneidung verstehen. Die meisten anderen Industrienationen machten, jeweils zu unterschiedlichen Zeiten ebenfalls einen Wandel der persönlichen Hygienestandards durch, ohne jedoch dabei auf Routinebeschneidung zurückzugreifen. In dem meisten Westeuropäischen Nationen verlangten bessere Standards der Reinlichkeit nur nach häufigerem und gründlicherem Waschen. Was in Amerika geschah (und in einem großem Ausmaß in England, wo Sayre ebenfalls Vorträge hielt, publizierte und 1877 vom Britischen Ärzteverband ausgezeichnet wurde) drehte sich um eine triefgreifende Neubewertung dessen, was sauber und was schmutzig war. 

Seit kurzem gibt es eine wachsende Debatte unter Medizinhistorikern über die Ideen und Handlungsweisen, die die öffentliche Gesundheit während der Jahrhundertwende definierten. Paul Stars Ansicht nach war diese Epoche ein Wendepunkt. Er beschrieb sie als seine Zeit, in der der Fokus der Gesundheit sich von der Umwelt weg auf das Individuum verschob und vom dem Vorrecht  der Laien der öffentlichen Gesundheit auf die Ärzte, die sich selbst immer mehr spezialisierten. Was die Autorität und das Prestige der Ärzteschaft betrifft, war die Theorie, dass Krankheiten von Mikroben verbreitet werden, ein Geschenk des Himmels. Da diese es mit sich brachte, dass nur die spezialisierte Ausbildung des Arztes eine Person befähigte die Wunder des unsichtbaren Reichs der Bakteriologie zu beherrschen. Besorgt um den Status ihres Berufsstands und bestrebt ihre privaten Praxen auszubauen, zeigten Ärzte in den 1890ern diesem Argument entsprechend immer weniger Begeisterung für konventionelle, umweltbasierte, öffentliche Gesundheitsmaßnahmen. [24]

Erkenntnisse aus neueren Studien legen jedoch nahe, dass dieser Übergang keinesfalls so reibungslos war. Die Keimtheorie, zumindest was ihre klinische Praxis anbelangte, schien große Verwirrung unter den Ärzten gestiftet zu haben. Zuerst einmal hatten wenige Ärzte die notwendige wissenschaftliche Ausbildung erhalten um die neue Theorie verstehen zu können. Und selbst diejenigen, die es hatten, hatten nur geringe Kenntnis darüber, wie sie sie auf den einzelnen Patienten anwenden sollten. Die Geschichte der Reaktionen der Ärzte auf die heftigen Polio-Epidemien, die kurz vor dem Ersten Weltkrieg durchs Land fegten, ist eine Geschichte von intellektueller Verwirrung und Chaos inmitten der Gefahr. Obwohl der Virus und seine Übertragungswege nicht verstanden wurden, waren offizielle Stellen der öffentlichen Gesundheit entschlossen entschieden zu handeln. Also flickten sie Leitlinien zusammen auf der Basis von sanitären Anlagen, persönlicher Hygiene, und der Quarantäne infizierter Patienten. Von einer mysteriösen Krankheit verwirrt, verließen sich die Ärzte auf jedwedes Mittel, das ihnen zu Verfügung stand, und nur selten hielten sie dabei ein um zu ermitteln, ob ihre Methoden überhaupt wirksam waren oder nicht. [25]

Operationen waren die mächtigste Waffe im medizinischen Instrumentarium und sie fanden eine neue und bedeutsame Rolle in der öffentlichen Gesundheit. Mit den charakteristischen Eifer, beispielsweise erinnerte der in Rhode Island ansässige Gesundheitsbeamte Charles V. Chapin seine Kollegen an die potentiellen epidemiologischen Vorteile der Operationen, die sie ausführten. Wenn Ärzte die Ausbreitung der Kinderkrankheiten begrenzen wollen, so wäre es "wichtiger die Polypen vom Kind, als die Asche vom Hinterhof zu entfernen." Als ob sie Chapins Vorschlag befolgten, führten Amtsärzte in New York für kurze Zeit Cholecystectomien (Gallenblasenentfernung) an Trägern des Typhus aus, um so das Organ chirurgisch zu entfernen, das sie für den Träger der infektiösen Bakterien hielten.[26]

Für viele Laien wie auch Ärzte, beschwört die Keimtheorie ein Bild vom menschlichen Körper als einen Überträger von gefährlichen Mikroben aller Art. Die Keimphobie hilft bei der Erklärung für die gegen Ende des Jahrhunderts weit verbreitete Fixierung auf den Schmutz, der mit den körperlichen Funktionen des Menschen vergesellschaftet ist: Exkremente, Urin, Blut, Eiter und die anderen Sekrete. Aufgrund ihrer Funktion wurden die Genitalorgane-selbst in einem gesunden Zustand- eng mit den "schmutzigen" Abfallprodukten des Körpers in Verbindung gebracht. Deshalb wurden sie oft per Assoziation für schmutzig befunden. Beginnend ab circa 1890 eigneten sich medizinische Autoren die Gewohnheit an den Penis so darzustellen, als ob er  ein Quell der Verseuchung an sich wäre. Indem er beispielsweise einen Begriff verwendete, der bisher für Infektionskrankheiten reserviert war, ging ein Arzt aus St. Lois namens Jonathan Young soweit Smegma als "infektiöses Material" zu bezeichnen.[27](Ironischerweise, scheint Brown nicht begriffen zu haben, dass das Wort "Smegma" von den griechischen und lateinischen Wörtern für Reinigung und Seife stammt) Aus dieser Prämisse folgte, dass die Beschneidung als Präventivmedizin angesehen und als eine Angelegenheit der öffentliche Gesundheit universell praktiziert werden sollte.

Peter Charles Remondino.

Gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts war der lautstärkste Verfechter der universellen Beschneidung ein Arzt und Gesundheitsbeamter namens Peter Charles Remondino. Wie auch Lewis Sayre, war er ein Aktivist innerhalb seiner Profession -Vizepräsident der kalifornischen Ärztegesellschaft, und ein Beamter des südkalifornischen Abteilung der American Public Health Association. In den frühen 1880ern traf er auf Sayre, den er als den "Columbus der Vorhaut" rühmte, den wissenschaftliche Entdecker, der "dieses Territorium, das Hippokrates und Galen übersehen hatten" eroberte. Fasziniert von der Einfachheit einer Operation die scheinbar einen so großen Nutzen hatte, und entschlossen die gute Botschaft einem breiteren Publikum mitzuteilen, verbrachte Remondinio die nächsten Jahre damit die Bibliotheken zu durchkämmen um für sein Magnus Opus zu recherchieren: History of Circumcision. Seinem Titel zum Trotz bietet das Buch viel weniger Geschichte als Polemik. Der Autor wusste sehr wohl, dass sich Patienten bereitwillig einer Operation unterzogen in Fällen von Verletzungen oder Schmerzen; "aber so etwas wie eine Operation um eine scheinbare medizinische Krankheit zu beseitigen," schrieb er "oder was vielleicht als die präventive Praxis von Operationen bezeichnet werden könnte, ist etwas, das sie nicht verstehen könnten." Er machte sich zum Ziel ihre Meinung zu ändern, deshalb durchwühlte er mehr als 300 dicht bedruckte Seiten über die Weltgeschichte und häufte Beweismaterial an, um wie er es formulierte, "meine Berufsbrüder mit einigen verkörperten Fakten zu versorgen, die sie dabei benutzen können um die Laienwelt zu überzeugen… dass Beschneidung absolut notwendig sei." [28]
 

Für den modernen Leser scheinen Remondinos "Fakten" eher wie eine ausschweifende schludrige Sammlung von Folklore, Mutmaßungen, Meinungen und Pseudo-Wissenschaft. Remondino, der auch kein gewissenhafterer Wissenschaftler als Historiker war, hatte gerade noch so viel von Darwin mitbekommen, um zu dem Schluss zu gelangen, dass die Vorhaut ein primitives Überbleibsel der evolutionären Vergangenheit war. "Mit der Verbesserung des Zustandes des Menschen und seiner allmählichen Evolution in eine höhere Sphäre," beharrte Remondino zuversichtlich, "wurde die Vorhaut eine Überflüssigkeit" und eine bösartige noch dazu.

    "Die Vorhaut scheint einen bösen Einfluss in der aller entferntesten und anscheinend zusammenhangslosen Weise auszuüben; So, wie einige der bösen Genies oder Geister in den arabischen Erzählungen, kann sie von Weitem das Objekt ihrer Bösartigkeit erreichen, es unbewusst auf die aller unberechenbarste Weise niederstrecken; es zum Opfer aller möglicher  Krankheiten, Leiden und Kümmernisse machen, für die Heirat oder die Belange des Berufsleben ungeeignet machen, es unglücklich und durch ihre Belästigungen und nächtliches unbeabsichtigtes Harnlassen ein Objekt fortwährender Schimpferei und Strafe in der Kindheit werden lassen. Später dann, beginnt die Vorhaut ihren Besitzer mit allerlei körperlichen Störungen und Leiden zu beeinträchtigen, nächtlichen Pollutionen und anderen Krankheiten, die darauf abzielen ihn körperlich, mental und moralisch zu schwächen; um ihn vielleicht ins Gefängnis oder eine Irrenanstalt zu bringen. Das gesamte Leben des Mannes ist den launenhaften Gaben und den Marotten dieser Hiobs-Trost-austeilenden Feindes des Menschheit ausgeliefert."

Geboren mit "dieser unnachgiebigen Röhre," so schätzte er, litten fünfundneunzig Prozent der unbeschnittenen Männern in einem gewissen Grad an Phimose. Obgleich er Sayres Behauptungen für bare Münze nahm, war Remondino bereit noch viel weiter zu gehen und behauptete, dass die häufigsten Krankheiten in Verbindung mit der Vorhaut keinesfalls mit einer Reflexneurose zu tun hatten. Diese beinhalteten rheumatische Störungen, Asthma, Brightsche Erkrankung und andere Niereninfektionen und, was noch ominöser war, Impotenz, bösartige Epitheliome und Asthma. Im Lichte dieser Gefahren, so behauptete er, sollten Lebensversicherungsgesellschaften den Träger einer Vorhaut an der Spitze der gefährlichen Risiken klassifizieren." [29]

Die Verbindung zwischen Krebs und Vorhaut war seit Jahren Anlass zur Sorge. Bereits 1878 nannte John Ashurst, Professor der klinischen Chirurgie an der Universität von Pennsylvania, in seiner klassischen Abhandlung über die Chirurgie unter anderen als Gefahren der Phimose eine "erhöhte Anfälligkeit für venerische Infektionen und eine Anfälligkeit für die Entwicklung bösartiger Erkrankungen auf diesem Glied." Unter den normalen Ärzten der 1890er und 1890er war die Theorie über Krebs am stärksten verbreitet, dass der Krebs  zwangsläufig "erregt wurde", wie Sir Herbert Snow erklärte, "durch ein kontinuierliches mechanisches Reizmittel." Unterschiedliche Organe des Körpers waren für unterschiedliche Reizmittel anfällig. Eine einfache Herleitung schien die Andeutung zu sein, dass venerische Läsionen wie Schanker eine geeignete Stelle für krebserregende Irritationen böten. Obwohl kein Wissenschaftler fähig war, die genaue Ätiologie zu bestimmen, sahen es Ärzte gegen Ende des Jahrhunderts als erwiesen an, dass Reizungen durch die Vorhaut eine "prädisponierende Ursache für Epitheliome des Penis" wären.[30]

Beschneidung als Schutz gegen bösartige Tumore war eine Idee mit gewaltiger Attraktivität, denn so wie ihre Nachkömmlinge ein Jahrhundert später hatten die Viktorianer entsetzliche Angst vor Krebs. Die grauenhafte. öffentliche Tortur des Generals Ulysses S. Grant, der an etwas starb, was seine Ärzte als "ein Epitheliom" des weichen Gaumens bezeichneten, hielt die Öffentlichkeit wie auch die Ärzteschaft in Bann. Eine postmortem Analyse überzeugte Grants Ärzte, dass seine Krankheit durch Irritation verursacht worden war, in seinem Fall durch eine Irritation des Mundes und der Kehle infolge von jahrelangem Zigarre-Rauchen. Epitheliome, so verkündete einer seiner Ärzte "werden in der Regel durch lokale Irritationen ausgelöst, und anders als andere Krebsformen sind sie nicht von einer erblichen Anfälligkeit für diese Krankheit abhängig." Von Peniskarzinomen wurde behauptet, dass sie sich auf ähnliche Weise entwickelten. Folglich wurde in einer Welt, in der effektive Therapien gänzlich fehlten, der Befund, dass bei vielen Fällen von Peniskrebs  "eindeutig" demonstriert wurde, "dass das Präputium die erregende Ursache wie auch der Anfangspunkt des Befalls war" zu einem einflussreichen Argument dafür zu operieren, noch bevor die Krankheit überhaupt ausbrach. [31]

Aufgrund ihrer hohen Ansteckungsgefahr und ihres sozialen Stigmas, waren venerische Infektionen beinahe so sehr gefürchtet wie Krebs. Insbesondere die Syphilis wütete außer Kontrolle und schien epidemische Ausmaße anzunehmen. Während der 1880er und 1890er machten medizinische Forscher große Schritte hin zu einem Verständnis der Pathologie der Syphilis und später der Gonorrhö. Bis in das frühe 20 Jahrhundert hinein setzten Ärzte bei der Behandlung der Syphilis weiterhin stark auf Quecksilber, und verwendeten eine Reihe von Behandlungsmaßnahmen, die ihre Patienten systematisch vergifteten. [32]
 

Angesichts der wenigen Waffen, die Ärzte im Kampf gegen Geschlechtskrankheiten besaßen, waren ihre Hoffnungen nachvollziehbar. In seiner Abhandlung über Chirurgie observierte John Ashurst, dass die Phimose "scheinbar ihr Subjekt anfälliger für verschiedene Formen von venerischen Infektionen macht, und zu einer ernsthaften Komplikation wird, wenn Geschlechtskrankheiten erst einmal erworben wurden sind." Ein Chicagoer Chirurg, A. C. Williams, berichtete, dass von den mehr als 400 Beschneidungen, die er durchgeführt hatte, mindestens die Hälfte davon zwecks Heilung von Herpes durchgeführt wurden. "Viele Männer mit Herpes stellten sich vor, dass sie Syphilis hätten und mit oder ohne Behandlung und die Beratung eines Arztes nicht überleben würden" schrieb er. "Ich würde in die Fußstapfen Mose treten und alle männlichen Kinder beschneiden." J. Henry C. Simes, der feststellte, dass Geschlechtskrankheiten deutlich weniger häufig bei Juden als bei Nicht-Juden auftraten, stimmte ihm zu. "Die Beschneidung", argumentierte er, "sorge dafür, dass die epitheliale Hüllschicht mehr von der Natur der Haut als von der der Schleimhaut würde," und deshalb gegenüber venerischen Mikroorganismen resistenter wäre. [33]

Sein Glaube, dass die Beschneidung Krebs und Syphilis verbeuge, schien die Folge einer epidemiologischen Studie an amerikanischen Juden gewesen zu sein, die 1890 erstmals veröffentlicht wurde und im folgenden Jahr im renommierten North American Review zusammengefasst wurde. "Über die Vitalstatistiken der Juden," geschrieben von dem angesehen Arzt John S. Billings, brachte die Statistiken des Zensus von 1880 ans Licht. "Die Todesraten dieser Rasse sind niedriger", beobachtete er, "Sie haben weniger tot-geborene Kinder, eine höheres durchschnittliches Lebensalter, und sind weniger anfällig für bestimmte Krankheitsformen als andere Rassen." Billings berichtete beispielsweise, dass die Inzidenz von Krebs unter Juden 6,46 per 1000 verglichen mit 10.01 per 1000 für die Gesamtbevölkerung betrüge. Auch machten die "gestörten Klassen" -die Geisteskranken, Idioten, Epileptiker- eine vergleichsweise winzige Minderheit der Juden aus. Billings Arbeit regte andere Studien zur öffentlichen Gesundheit an, die bestätigten dass  innerhalb der jüdischen Gemeinden, selbst unter den ärmsten Klassen, die Morbiditätsraten geringer waren einschließlich der Raten von Syphilis und Infektionskrankheiten wie Diphterie und Tuberkulose. [34]

Nach physiologischen Gründen suchend, die erklärten, warum Juden gesünder als andere ethnische Gruppen waren, stellten einige Ärzte die Theorie auf, dass ihre niedrigere Morbidität und Mortalität die Vorteile der Beschneidung widerspiegelte. Alles in allem war die Inzidenz von Penisepitheliome und Syphilis unter Juden deutlich geringer als unter Nicht-Juden. [35] Jüdische Ärzte, deren Einstellung zur Beschneidung teilweise von ihrer eigenen kulturellen Erfahrung geprägt waren, fanden diese Beweise besonders überzeugend, darüber hinaus, da Juden in den höheren Ebenen innerhalb der Ärztegesellschaft überproportional repräsentiert waren, gab es eine einflussreiche Minderheit von Ärzten die die Forschungsarbeit begrüßten, die ihre religiösen Gebräuche rechtfertigte . "Das Judentum machte die Religion zur Handlangerin der Wissenschaft," schien ein führender Jüdischer Arzt und Wissenschaftler im Gesundheitswesen "So hat er sich der Gläubigkeit zur Bewahrung der Gesundheit bedient." Viele Juden mussten sich trotzdem gewundert haben, als sie Remondinos Behauptung lasen, dass Beschneidung "die wirkliche Ursache für die Unterschiede in der Lebensdauer und Fähigkeit zur Lebensfreude derer sich die Hebräer erfreuten im Gegensatz zu ihren christlichen Brüdern." [36]

Ein altertümliches hebräisches Ritual nachzuahmen, geschweige denn ein Ritual, das das Schneiden am Penis beinhaltete, schien vielleicht eine merkwürdige Innovation für eine Nation gewesen zu sein, die so um ihr Bild als das christlichste Volk in Amerika zu sein bemüht war. Es war aber genau an diesem Punkt, an dem die Ärzteschaft eine scharfe Unterscheidung zwischen ritueller und medizinischer Beschneidung machte. Beginnend in den frühen 1890ern, als Ärzte die Operation immer häufiger empfahlen und ausführten als eine Neugeborenen Routinemaßnahme, starteten sie einen Angriff auf den jüdischen Ritus der Berith Milah oder Bris als primitiv, unsanitär und potentiell gefährlich. B. Merill Rickets, ein Chirurg aus Cincinnati, der über hunderte Beschneidungen, die er durchführte, sorgfältig Buch führte, zitierte eine von einem seiner befreundeten Ärzten, der die Barbarei der "Unterklasse"-Immigranten beklagte. "Die orthodoxen Juden haben die Angewohnheit das Organ in ihren Mund zu nehmen," schrieb er angewidert, "und das Blut abzusaugen, nachdem die Operation durchgeführt wurde." [37]

Geschichten von abstoßenden rituellen Praktiken, gelegentliche Berichte von Infektionen, Gangrän, Tetanus bei einem jüdischen Säugling, der "auf eine sehr primitive Weise" beschnitten wurde, und sogar Reflexirritation als Folge einer ungeschickten Operation erregten einen wachsenden Chor des Widerstandes innerhalb des medizinischen Establishments. Der Eingriff sollte "nur von einem Arzt und auf chirurgische Weise" durchgeführt werden, argumentierte ein führender New Yorker Chirurg. Schlecht ausgebildet und sich der neuen Techniken nicht bewusst, schrieb er, übertrugen rituelle Beschneider häufig Tuberkulose, Syphilis, und andere ansteckende Mikroben auf Säuglinge. In dem Bemühen irregulären Operateuren Einhalt zu gebieten, organsierten sich Ärzte aus Ohio um eine Gesetzesvorlage ins Staatsparlament einzureichen, die die rituelle Beschneidung vollständig verboten hätte. Vermutlich weil sie den ersten Verfassungszusatz verletzte, erhielt die Maßnahme nie genügend Unterstützung um zur Abstimmung zu kommen. Trotz allem, in einigen Kreisen übte die Aussicht auf Regulierung-die offensichtlich das Potential hatte ein beträchtliches Geschäft weg vom unlizenzierten Mohel hin zu regulären jüdischen Ärzten zu verschieben- weiterhin eine gewisse Anziehung aus. In New York, zum Beispiel, schlug Harry Levien ein Gesetz auf Staatsebene vor, das verlangte, dass "bei jedweder Operation, ein ordnungsgemäß registrierter und praktizierende Arzt anwesend sein solle,… die Operation überwachen soll, und die verantwortliche Partei sein soll." [38]

Das Ziel der angestrebten Restriktionen war es die Operation sicherer zu machen, und zwar wie ein Arzt ermahnte, "in dem die Operation von einem Arzt unter antiseptischen Bedingungen durchgeführt würde." Aber das Gerede von den neuen Gesetzten brachte einen prominenten jüdischen Arzt zum Spötteln, die Beschneidung wäre "Reizthema unserer progressiven hebräischen Ärzte die vom Geiste des Listerismus erfüllt seien" geworden. Er insistierte, dass in Wirklichkeit die Mohel die modernen Techniken vollkommen beherrschten, wobei ihr "Instrumentarium nicht vollständig ist ohne eine Flasche Carbol und einem Streifen Mullbinde." Wenn die Infektion irgendwo ein Problem wäre, fügte er hinzu "wagen wir zu behaupten, dass in den besten modernen Krankenhäusern, wo der Listerismus auf die strengste Weise durchgeführt wird, die Sepsis ein hundertfach häufiger auftrete, als in einem kleinen voll-gestopften Raum, indem der Mohel der Chefchirurg ist" Könnte die Erklärung sein, fragte er, dass im Gegensatz zu den meisten Ärzten der Mohel geschickt dabei ist schnell und präzise zu schneiden , und dabei Blutungen zu unterdrücken und die Wunde zu verbinden ehe eine Infektion irgend eine Chance hätte sich einzunisten?" [39]

Während die Streitigkeiten über die rituelle Beschneidung langsam von der Bildfläche verschwanden, wurde das zu Grunde liegende Problem bezüglich des Risikos der Operation praktisch ignoriert. Gelegentlich wurden Stimmen gehört, die nach Mäßigung riefen, aber diese waren erstaunlich selten. Ein Arzt in Brooklyn N. M. Schaffer, verurteilte die "unüberlegte Beschneidungen" die an Kindern und Säuglingen durchgeführt wurden, die keine Krankheitssymptome zeigten. Sir Herbert Snow, ein angesehener Londoner Krebschirurg, veröffentliche ein Pamphlet, das eine gewisse Beachtung in Amerika fand, in dem er die "Barbarei der Zirkumzision als Heilmittel für kongenitale Anomalie" verurteilte. Und 1894 wagte ein Leitartikel im New Yorker Medical Record, der offiziellen Publikation der Ärztegesellschaft, die Meinung vorzubringen, dass "Beschneidung ein Relikt barbarischer und semizivilisierter Zeiten ist, bevor Seife und Wasser und sanitäre Einrichtungen verbreitet waren  … In diesen Tagen sollten Ärzte damit aufhören eine unnötige und irrationale Verstümmelung zu propagieren und sie ihren Patienten aufzuzwingen." Aber das waren eindeutig Minderheitenmeinugen. Darüber hinaus schien mit der Ausnahme eines Leitartikels sogar der Medical Record die Beschneidung ausschließlich befürwortet zu haben, indem er dutzende Artikel publizierte, die die Vorteile der Operation anpriesen und neue Operationstechniken bewarben. [40]
 Um gesunde Männer dazu zu überreden ihre Vorhäute abschneiden zu lassen (oder Eltern die Beschneidung ihrer Kinder) mussten die Chirurgen sie davon überzeugen, die Beschneidung nur ein kleiner Eingriff wäre, der weder gefährlich noch übermäßig schmerzhaft wäre. Zwei bedeutende Fortschritte, ein theoretischer und ein technologischer ermöglichten dass dieser Fall mit wachsender Glaubwürdigkeit argumentiert werden konnte.

Der eine war die Keimtheorie und die von ihr ausgelöste Bewegung hin zur Antisepsis und Asepsis. Listers ursprüngliche Arbeit über die Bakterien wurde in den 1860ern veröffentlicht. Nichtsdestoweniger, brauchte es seine Generation, ehe seine Einsichten, die von amerikanischen Ärzten vorsichtig studiert und verfeinert wurden, bis die aseptische Chirurgie allgemein üblich war. Um 1890, da die Krankenhausverseuchung nicht mehr länger wie noch wenige Jahre zuvor die tödliche Gefahr war, befand sich die Ärztewelt in einer frühen Phase eines beispiellosen Booms an Operationen. Nicht zufällig konzentrierte sich dieser Boom an Operationen innerhalb des Operationssaales des Krankenhauses. Als Lewis seine bahnbrechende Beschneidung zur Therapie von Lähmungen in den frühen 1870ern in Bellevue durchführte, gab es weniger als 200 Krankenhäuser in den USA, vierzig Jahre später gab es mehr als 4000, von denen viele profitorientierte Unternehmen waren, die Ärzten gehörten. "Für viele Chirurgen" merkte der Historiker Charles E. Rosenberg an, begann das moderne Krankenhaus "als der einzig ethische Ort um eine immer anspruchsvollere Kunst zu praktizieren schien es." [41]
 

Der andere, vielleicht gleichsam bedeutende Durchbruch war die verbesserte Anästhesie. Ether hatte 1846 im Amphitheater des Massachusetts General Hospital seinen großen Einzug gehalten. Durch die Bürgerkriegsära hindurch jedoch blieben die Narkosemittel- Ether, Lachgas und Chloroform unter anderen- auf gefährliche Weise unberechenbar, und ihr Gebrauch war innerhalb der Ärzteschaft umstritten. Erst in den 1880ern führten Medizinwissenschaftler eine Reihe neuer Drogen und sichere Techniken ein. 1885 beispielsweise erfand William Halstead einen hypodermischen Kokainnervenblock als lokales Betäubungsmittel mit nur geringen oder gar keinen körperlichen Nebenwirkungen. Die Folge von Verbesserungen wie dieser war, dass die Hemmschwelle für chirurgische Intervention dramatisch herabgesetzt wurde. [42]

Lewis Sayre, ein orthopädischer Chirurg, der große Erfahrung mit der Anaesthsie hatte, setzte seine Patienten, die er beschnitt, ohne zu zögern unter Chloroform; und er berichtete über keine negativen Erfahrungen. Aber viele andere waren gegenüber der Vollnarkose misstrauisch, insbesondere in Fällen, die Säuglinge und junge Kinder betrafen. Für sie schien Kokain, das lokal verabreicht wurde, die perfekte Lösung zu bieten. C. Knox-Shaw berichtete, er gebe dem Kind "ein paar Züge Chloroform und gleichzeitig zwölf bis fünfzehn Tropfen von vier prozentiger Kokainlösung… die auf Höhe des Eichelkranz an zwei oder drei Stellen, in die Vorhaut injiziert wurde." Da er im Laufe der Jahre feststellte, dass viele seiner Patienten in der letzten Minute vor der Beschneidung zurückscheuten "weil ich nicht versprechen konnte, dass es nicht wehtun würde,'" erklärte G. W. Overall, er könne durch die Injektion von Kokain "jetzt eine Operation versprechen, bei der das Kind diese noch nicht einmal bemerken würde, ehe sie vorüber ist." Tatsächlich zitierte er einen kürzlichen Fall, bei dem er einen sechs-jährigen Jungen schmerzfrei operierte "während er mit seiner Mutter darüber diskutierte, welche Spielsachen er zu Weihnachten bekommen würde." [43]

Andere aber hatten weniger Glück. Obwohl die Ärzte nur selten das Leid dokumentierten, die ihre Handlungen verursachten, und ihre Misserfolge so gut wie niemals veröffentlichten, lassen sich in den Schatten ihrer Journalartikel doch verstörende Einblicke erhaschen. "Lehrbücher der Chirurgie scheinen anzudeuten, dass eine Zirkumzision, der aller einfachste Eingriff überhaupt sei," schrieb Samuel Newman im Journal of the American Medical Association. "Die Operation aber ist häufig problematisch." Unter den häufigen postoperativen Komplikationen listet er Entzündungen, Schwellungen und Blutungen und Hämatome auf. Jonathon Young Brown merkte an, dass jeder Chirurg, der jemals eine Beschneidung durchführte "zweifelsfrei von die Tatsache schockiert war, dass nach der Operation beinahe ausnahmslos das lose Bindegewebe zwischen der verbleibenden verbindenden Schleimhaut und den Hautoberflächen, plötzlich ödematös wird, stark anschwillt und sich gelegentlich regelrecht aufbläht. Dieser Zustand verzögert oder zerstört die Verwachsung beim ersten Versuch, entstellt das Körperteil und bereitet dem Patienten großes Unbehagen." Indem er sich einer Phrase bedient, die wieder und wieder auftaucht, schrieb Henry Sines, dass so sicher wie die Beschneidung auch sei, gebe es trotzdem gelegentliche Probleme. Er erlebte einen Fall, wo ein Kollege das Hadrochlorat von Kokain benutzt hatte, und obwohl der Patient nicht starb, entschloss sich infolge der operierende Chirurg  noch an Ort und Stelle diese Droge niemals mehr für eine ähnliche Operation zu verwenden." Ebenso beobachtete er Fälle, bei denen der Arzt während der Operation einen Abschnitt der Eichel entfernte. [44]

Um solchen chirurgischen Unfällen vorzubeugen, veröffentlichten medizinische Fachzeitschriften dutzende Artikel über neue Techniken und medizinische Gerätschaften, die dazu konzipiert waren, den Eingriff idiotensicher zu machen. Während er seine eigenen "Zirkumzisionsscheren," bewarb, sprach Simon Bauch die weite Verbreitung speziell-konzipierter "Klemmen, Gefäßklemmen, und Scheren" an, die Ärzten angeboten wurden. Nur die Vorstellungskraft der Chirurgen setzte der Entwicklung immer neuere und ausgeklügelter Methoden zur Ausführung dieser Operation Grenzen. John W. Ross Beschreibung "Einer Einfachen und schnellen Methode der Zirkumzision" steht dabei stellvertretend für den Trend hin zur Geräten. Er kam auf die Idee die "Glans penis bis zum Eichelkranz in eine offene Mündung einer Glasröhre einzuführen; eine starke, kleine Seidenschnur sehr eng um die Vorhaut zu binden unmittelbar vor den Flansch der Röhre; die Vorhaut ein Achtel eines Inches vor den schnürenden Schnur durch eine kreisförmige Schwungbewegung des Skalpells zu amputieren; die Verkleidung abzubinden: und den Patienten mit hoch gelegen Penis 24 bis 48 Stunden im Bett zu halten." [45]

Der Beteuerung der Ärzte zum Trotz, dass es nur ein kleiner Eingriff wäre, scheint die Beschneidung das alte Sprichwort zu bestätigen, dass der einzige kleine Eingriff einer ist, den man an jemand anderem durchführt. Verständlicherweise, außer wenn sie an störenden Symptomen litten, waren die meisten Männer nicht bereit sich unter's Skalpell zu legen. Obwohl keine verlässlichen Statistiken auffindbar waren um die Rate der medizinischen Beschneidungen um die Jahrhundertwende abzuschätzen, ist der Eindruck, den dutzende Artikel in der damaligen medizinischen Literatur ist, dass die Patienten hauptsächlich symptomatische Kinder und Jugendliche der Mittel-und Oberklasse waren. B. Mirill Rickets hielt die Ärztegesellschaft von Cincinnati über seine Arbeit auf diesem Gebiet auf dem Laufenden. In einem Artikel von 1894, "Die letzten Fünfzig einer Serie von Zwei Hundert Zirkumzision," listete er 28 Indikation für die Operation auf, die vom Lokalen (Phimose) bis zum Systemischen ("generelle Nervosität") reichten. Während dieses Zeitraums war es trotzdem ersichtlich, dass Ärzte die Kundenakzeptanz nicht als selbstverständlich betrachteten. Sie erwarteten Skepsis, und sie verfeinerten ihre Argumente um sie zu überwinden. [46]

Inzwischen entdeckten sie eine andere Gruppe von Patienten, die keine Mitsprache in dieser Angelegenheit hatten. Ab Mitte der 1880er kamen Ärzte und auf deren Drängen hin Eltern zu der Ansicht, dass die Theorie und Praxis der Beschneidung am Besten auf Säuglinge anzuwenden sei. "Zirkumzision," ausgeführt an Babys, schrieb ein New Yorker Arzt, "ist nicht mehr eine Operation als eine Impfung." Und wie die Juden seit langen festgestellt hätten, bräuchten Babys weder Chloroform noch Kokain." Säuglinge, die nur ein paar Tage alt sind können von zwei Assistenten festgehalten werden und die Operation ohne irgendeine Betäubung durchgeführt werden, riet Samuel Newman. Newman selbst zog es vor seine jungen Patienten auf ein Brett zu binden nach der Art wie die Indianer ihre Kinder festzuschnallen. Um das Kind fest an Ort und Stelle zu halten bis die Operation beendet ist" [47] Wenn man die Unmenge an Vorteilen anerkannte, welche die Beschneidung angeblich hervorbrachte, war es logisch früh zu operieren, bevor die Krankheiten und schlechte Angewohnheiten eine Chance hatten Fuß zu fassen.[48]

Diese aggressive medizinische Intervention war nur ein Aspekt einer umfassenden Änderung des medizinischen Ansatzes gegenüber Kindern. Besorgt über neue Statistiken, die von den Gesundheitsbehörden veröffentlicht wurden, die schockierende Raten von Säuglingssterblichkeit dokumentierten, besonders in urbanen Gebieten, organisierte sich die Ärzteschaft neu um die Kinderkrankheiten zu bekämpfen. 1880 unter der Aegis ihres Vorsitzenden Lewis Sayre, begründete die AMA eine neue Sektion der pädiatrischen Medizin. Vier Jahre später erschien das erste Fachgebietsjournal, dass sich der Kindermedizin widmete, das Archives of Pediatrics; und 1887 hielt die Amerikanische Pädiatrische Gesellschaft ihr erstes Treffen ab. Das Kennzeichnen der neuen pädiatrischen Medizin war die medizinische Neubewertung aller Facetten des kindlichen Geistes und Körpers, und ein Eindringen der Ärzte in Gebiete die vormals die Privatdomäne der Familien waren. Vielleicht das bekannteste Beispiel des Ärzteaktivismus war die Säuglingsnahrung -Kontroverse. Von der Hoffnung beseelt Amerikas Babys zu retten, stellten viele Ärzte die Sicherheit der Muttermilch infrage und brauten ein Sortiment neuer Produkte und Techniken zusammen um das natürliche Stillen zu ersetzen. [49]

Der Auslöser dieser Bewegungen waren Daten die zeigten, dass Durchfallstörungen unter den häufigsten Todesursachen bei Säuglingen und für einen aus vier aller Todesfälle verantwortlich waren. Diese Befunde unterstützen auch das Argument für frühes Beschneiden. Indem man eine Quelle der Irritation für das Nervensystem -die Vorhaut- eliminierte, glaubte man, dass die Operation der Verdauung des Babys helfen, und dabei seine Überlebenschancen erhöhen würde. In einem viel beachteten Artikelberichte J. A. Hofheimer von der erfolgreichen Heilung sowohl fäkale Inkontinenz als auch Verstopfung durch Beschneidung. Von seinen Resultaten ermutigt, riet er sofort zu operieren, bevor die Symptome eine Chance hatten aufzutreten. "Eine frühe Operation" schrieb er " wird dem Kind eine große Quelle von Irritation ersparen und indirekt seine Ernährung verbessern, und so ein quengeliges schwächliches Baby in einen gedeihenden, glücklichen Säugling verwandeln." Als er seinen Rat im Fall eines Kindes mit Harn- und Fäkalinkontinenz, gestand H. L. Rossenberry, dass er keine Ahnung hatte, warum es funktionierte, aber dass der Patient bald gesund und stark wurde. "Ich bin nicht fähig den Vorgang zu erklären, aber berichte von ihm einfach als eine Tatsache."[50]

Deshalb findet man in der Entstehungsperiode der modernen Medizin – „ein aus Versuchen aufgebautes, geschäftiges beeinflussen der Tatsachen durch starke Kräfte die dazu tendieren nicht von Begleitumständen und Symptomen zu sprechen sondern von Ursachen der Krankheiten, der gekrönt sei durch den Erfolg in der Vorbeugung und bei der Heilbehandlung“ wie Donald Fleming diese Epoche schilderte, findet man führende Ärzte die auf der Grundlage von alt-modischem Empirismus eine Rechtfertigung für die Bescheidung erfinden. Selbst als die Theorien von Koch und Pasteur die Wissenschaft hin zum Grundsatz der spezifischen Kausalität bewegten, verteidigten die Ärzte die Beschneidung, indem sie Hypothesen verwendeten , mit denen einst Praktiken wie der Aderlass rechtgefertigt wurden. In mitten der "therapeutischen Revolution", stellt man fest dass die Behandlungen, die die Ärzte anwendeten, wenig mit den strengen wissenschaftlichen Methoden und hohen Standards wissenschaftler Beweise zu tun hatten, die die Maxime  akademischer medizinischer Forschung waren. Natürlich würde ein Kliniker wie Lewis Sayre, der chirurgische Experimente mit therapeutischer Absicht durchführte und die Resultate so gut nachvollzog wie er konnte, steif und fest behaupten, dass seine Arbeit genauso wissenschaftlich war, wie die von Forschern wie Paul Ehrlich, der in Laboratorien arbeitete und nach verifizierbaren Wahrheiten suchte.[51]

Damals wie heute, hatten Forscher und Kliniker gegensätzliche Vorstellungen von Wissenschaft. Von der kalten Objektivität des Laboratoriums gesehen, schienen Kliniker damit zufrieden zu sein Patienten auf Basis von Hypothesen zu behandeln, die weit davon entfernt waren durch irgendwelche vernünftige Standards von wissenschaftlichen Beweisen nachgewiesen zu sein. Anderseits, aus der Perspektive des Klinikers, stammten die wichtigsten und überzeugendsten Fakten aus der Beobachtung des Behandlungserfolgs an einzelnen Patienten. Für den durchschnittlichen Arzt, war es weit wichtiger zu wissen, was funktionierte um Patienten zu heilen, und dieses Wissen in einem Eingriff anwenden zu können als die Prinzipien der Biologie zu verstehen. In dieser Hinsicht, war die Beschneidung gleichermaßen ein Anachronismus wie auch ein wesentliches Produkt seiner Zeit. Es war eine Operation, deren Heilkraft Laborforschung nicht erklären konnte, die aber trotzdem weiterhin durch eine Fülle an Ärzteaussaugen unterstützt wurde. [52]

Ein allumfassender Eingriff, der angeblich wirksam gegen dutzende Störungen war, die weithin gefürchtet aber schlecht verstanden waren, eignete sie sich bestens für sexuelle Diagnosen, die selbst wiederum halfen den Übergang hin zur Routine Behandlung für männliche Säuglinge zu vollenden. Das Spätviktorianische Amerika hatte natürlich ein notorisch schlechtes Verhältnis zur menschlichen Sexualität. Das berühmt-berüchtigte Comstock Gesetz von 1873 verdeutlichte eine unbehagliche und strafende Einstellung gegenüber Sex, die innerhalb der Mittel und Oberklasse weit verbreitet war. Für eine Kultur  die so ängstlich vor Sex war, schienen Manifestationen von Säuglings oder Kindersexualität besonders verstörend, als ein Widerspruch zu der unverdorbenen Reinheit von Kindern. In vergangen Zeiten, löste die häufigste Ausdrucksform kindlicher Sexualität-Masturbation- selten viele Kommentare oder Bedenken aus. Inmitten einer generellen Wandlung der sexuellen Einstellungen in der Mitte des 19. Jahrhunderts aber, verfinsterte sich die weitverbreitete Sichtweise auf die Masturbation. Seit der Aufklärung, machten Ärzte in Westeuropa und Amerikas die Masturbation als Ursache von Krankheiten aus. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde es mit Verrücktheit, Idiotie, Epilepsie, in Zusammenhang gebracht, und von da aus mit einer Unmenge anderer psychologischer, verhaltensbezogen und pathologische Bedingungen in Verbindung gebracht. "Die schwerwiegendsten Krankheitsformen die auf diese Ursache zurückführbar sind, sind Spinalparalyse, Rückenmarksschwindsucht, und Krämpfe," erklärte ein Arzt am Südwestlichen Irrenhaus von Virginia. "Davon abgesehen, verursacht die Masturbation gelegentlich eine unbehandelbare Form des Wahnsinns." Dies war die so-genannte "Masturbationswahnsinn" eine Bezeichnung, die viele Amerikanische und Britische Ärzte für psychotische Krankheiten gebrauchten die sie nicht anders klassifizieren konnten. Seit jeher lehrte die Katholische Kirche, dass Masturbation, weil sie unabhängig von Ehe und Fortpflanzung stattfand, eine tödliche Sünde wäre. Aber die medizinische Theorie, dass die Masturbation Krankheiten verursache, stellte eine unmittelbarere Bedrohung dar. Passenderweise für das Zeitalter Darwins, schloss sich so die Biologie Gott als Strafender der Sünde an.[53]

Der Beweis für diese Ansicht, die erstaunlich weit akzeptiert worden war, stammte zum Teil von der Erfahrung der Ärzte mit geisteskranken Patienten. Es wäre nervenaufreibend, schrieb ein Arzt, mit anzusehen, dass unter den Schwachsinnigen die Hände instinktiv zu diesen Teilen gezogen werden." Folglich schien es logisch anzudeuten, dass die Masturbation irgendwie zu Schwachsinnigkeit führte. Wie Remondino erklärte, "es ist vielleicht eine Frage, ob die Schwachsinnigkeit nicht auch eine Reflexkrankheit infolge dieser exzessiven morbiden Reizbarkeit der Geschlechtsorgane ist." Andere Kommentatoren, von denen auffallend viele Kinderärzte waren, warnten, dass die Angewohnheit der Masturbation oft in der Kindheit erlernt würde, und die Vorhaut die Hauptschuldige wäre. "Die Tatsache, dass Kinder unter zwei Jahren sich die Gewohnheit der Masturbation aneignen können und das auch sehr wohl tun ist eine Offenbarung für viele Ärzte," erklärte J.P. Wester in einem Artikel, den er der Pädiatrischen Gesellschaft von Ohio vorstellte. Er fuhr fort damit ein Profil eines typischen Masturbators vorzustellen: ein dreijähriger Junge, der klein war, einen finsteren Gesichtsausdruck hatte, und ermüdet und aufgeschwemmt aussah; er war nervös und quengelig, ein schlechter Esser und ein sehr schlechter Schläfer. "Das kranke Kind hatte seine Angewohnheit entwickelt bevor er ein Jahr alt war, und laut Webster offensichtlich" hauptsächlich aufgrund des Zustandes der Vorhaut."[54]

Ein Arzt, der eine erfolgreiche Beschneidung eines Säuglings beschrieb um Harntrakt Liturie zu heilen erinnerte sich auch daran, dass er eine ähnliche "Kleesäurerückstände im Urin von Masturbatoren" gefunden hatte, und Nachwuchs meidende Ehemänner, die Onanie praktizieren." Diese Beobachtung bestätigte nicht nur erneut die Theorie, dass die Masturbation mit neurasthenischen Krankheiten in Verbindung stand sondern, was bedeutender war, es implizierte, dass die Masturbation selbst weniger ein moralisches Versagen als eine Reaktion auf eine grundlegende physiologische Anomalie war. In den Augen vieler Ärzte, wurde die Masturbation ein Zwischenglied in einer Folge aus Ursache und Wirkung, die ihren Ursprung in der Vorhaut hatte. Als er zur Befürwortung dieser Theorie im prestigereichen Medical Bulletin von Philadelphia schrieb, behauptete ein Arzt der sich auf die Behandlung der Nervenschwäche spezialisierte, das in einer Testgruppe von 192 Männern mit Nervenerkrankungen, "einschließlich der Nervenschwäche in all ihren Ausprägungen, Epilepsie sw.,  60 Fälle von Phimose oder übermäßiger Vorhaut gewesen seien." [55]

Als 1896 ein populäres Buch, All about the Baby, Müttern den Rat erteilte, die Beschneidung männlicher Babys wäre "in den meisten Fällen empfehlenswert", empfahl es die Operation noch zusätzlich zur Prävention "der Unsitte der Masturbation." L. Emmett Holt, Professor am College of Physicians and Surgeons und ein angesehener Experte der Kinderheilkunde, erzählte seinen Mitärzten, dass eine "verklebte Vorhaut…. so konstant vorhanden sei, dass sie kaum als eine Fehlbildung bezeichnet werden könne. Sie ist aber ein Zustand, der bei jedem männlichen Säugling Aufmerksamkeit benötigt." Die Gefahren der Vernachlässigung, erklärte er, begünstige "Priapismus, Masturbation, Insomnie, Alpträume, ect.," und auch, "die meisten der funktionalen Nervenkrankheiten der Kindheit." Remondino, seinerseits, war sich sicher dass Einzelfälle von beschnittenen Jungen vorgefunden werden können, die Onanie praktizieren, aber im Allgemeinen kann diese Praktik als sehr selten unter den Kindern der beschnittenen Rassen angesehen werden… Auch im Kleinkindalter seien sie nicht so anfällig für Priapismus während des Schlafs wie jene, die unbeschnitten sind." [56]

So seltsam wie es angesichts des Umstands scheinen mag, dass sie die Beschneidung zur Unterdrückung der Masturbation bewarben, befürworteten  viele andere Ärzte mit ihm die Beschneidung zur Prophylaxe von Impotenz. Kürzlich haben einige Wissenschaftlicher argumentiert, dass Männer der Mittel und Oberklasse im spät-viktorianischen Amerika eine sexuelle Krise durchlitten, die sich durch Ängste vor Impotenz und verlorener Männlichkeit kennzeichnete.[57] Und ob Impotenz und die Angst vor Impotenz weiter verbreitet wurden oder nicht mit den weitreichenden gesellschaftlichen Veränderungen der 1890er korreliert werden kann, bleibt weiter debattierbar. Aber es ist klar, dass Impotenz, ein Leiden, dass gewöhnlich keine spezifische pathophysiologische Ursache hat, sich nahtlos in das Rahmenkonzept einfügte, das die Beschneidung befürwortete. Nicht zuletzt glaubte man, dass Phimose und Paraphimose (letzteres ist ein Leiden bei dem, gemäß einem chirurgischen Lehrbuch, "das Präputium hinter die Corona glandis gerät, und so dem Organ droht stranguliert zu werden.) Jungen dazu für Sterilität und Impotenz anfällig machen würden. "Sexuelle Beziehungen sind viel mehr für Frau und Mann, als allgemein anerkannt wird," erklärte Remondino. Und er behauptete, dass die Befreiung des männlichen Geschlechtsorgans von "einem einengenden, unnatürlichem Band" sicherlich sexuelle Leistungsfähigkeit und Vergnügen steigern würde. [58]

In den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts bewegte sich die Beschneidung stetig hin dazu eine Standard Praktik für gut-ausgebildete Ärzte zu werden. Statistiken sind schwer zu bekommen, aber am Vorabend des Ersten Weltkriegs schätzte ein Arzt in seinem Plädoyer für die "Universelle Zirkumzision als eine gesundheitliche Maßnahme" im Journal of the American Medical Association  die Zahl der Kinder die den Eingriff unterzogen worden waren auf "Millionenhöhe". Er untersuchte die Ärztemeinungen in ganz Amerika und auch Großbritannien und gelangte zu dem Schluss, dass "die riesige Mehrheit der modern wissenschaftlichen Meinungen über dieses Thema die Beschneidung als eine gesundheitliche Maßnahme und als eine Prophylaxe gegen Infektionen mit Geschlechtskrankheiten stark befürwortet. Die wenigen Einwände die fortbestünden wären nicht gegen die Entfernung der Vorhaut, "sondern gegen jene Personen, denen es nicht gelingt sie ordentlich durchzuführen." Artikel zu diesem Thema, die die 1920er hindurch publiziert wurden, unterstützten diese Ansicht. Zum größten Teil wurde die Frage darüber ob man beschneiden sollte als eine fait accompli behandelt  Alles was es noch zu klären galt, war die beste Technik.[59]

Das Hauptziel der Perfektionierung einer chirurgischen Technik war es ein attraktives Resultat zu bewirken. Die Ästhetik war nicht nebensächlich, denn ein entscheidender Aspekt der Popularität der Beschneidung war, dass sie ein Kennzeichnen sozialer Unterschiede sein sollte. Im frühen 20. Jahrhundert war es die soziale Bedeutung dieser Operation, die es möglich machte, dass die Beschneidung florierte lange nachdem die sanitäre Bewegung ihre Bedeutung verloren hatte. Während es kaum ein Diskussionsthema für die feine Gesellschaft war, charakterisierten einige Führer innerhalb der Ärzteschaft den Eingriff explizit mit Begriffen der sozialen Klasse. Während er seine Leser daran erinnerte, dass die frühesten dokumentierten Beschneidungen unter der Priesterkaste im Alten Ägyptischen Reich auftraten, zog Peter Remondino eine Analogie zwischen der altertümlichen und der modernen Praktik. 1892 erklärte er, obwohl sie weit von der Routine entfernt wäre, gebe es "eine Klasse, die die Beschneidung als eine hygienische Vorsichtmaßnahme praktiziere, bei der, meiner persönlichen Beobachtung zufolge, die Beschneidung gründlich bei jedem männlichen Mitglied vieler Familien dieser Klasse praktiziert wird, und das ist die Klasse der Ärzte." Ob nun als Folge ihrer ärztlichen Ausbildung oder ihrer Erfahrungen aus erster Hand mit "den vielen Gefahren und Nachteilen, welche die Unbeschnittenen heimsuchen", erklärte er, unterzogen sich amerikanische Ärzte selbst dem Eingriff. Und wenn sie dies getan hatten, "anstelle zufrieden damit zu sein, verbreiteten sie jene Vorteile, die sie selbst erhalten hatten, indem sie jene unter ihrer Obhut ebenso operieren ließen." Gemäß dieser Ansicht ging der Trend von einer Art ärztlichen Priesterklasse aus, die ihre Privatpatienten zu dem überredeten, was Richard Bushman einst die "Nützlichkeit der Nachahmung" nannte. [60] Klassenunterschiede- ganz besonders jene Unterschiede, die einen Anklang von Wissenschaft, Gesundheit und Reinlichkeit hatten, nahmen um die Jahrhundertwende eine wachsende Bedeutung an. Die Welle neuer Immigranten aus Süd- und Osteuropa, die die industriellen Zentren im Nordosten und mittleren Westen überflutete und so die humane Geographie der amerikanischen Städte auf drastische Weise veränderte, bescherte den einheimischen Amerikanern ein Krise ihrer kulturellen Identität. Von diesem Zustrom von Fremden schockiert, verhöhnten die Hüter der amerikanischen Reinheit diese als rassisch minderwertig. Methaphorisch gesprochen, wurden die neuen Immigranten als Unrat dargestellt, der aus den Abwasserrohren der Alten Welt ausgespeit wurde: eine einzige menschliche Welle aus Schmutz und Dreck. Diese reißerische Rhetorik, die zur Befürwortung strenger Immigrationsbeschränkungen gebraucht wurde, schürte eine nationale Obsession mit Verschmutzung und im Umkehrschluss mit Reinlichkeit. Dieser Schmutz, den die Leute zu meiden suchten, war ein ergiebiger kulturelle Dampfkessel. Denn wie die Anthropologin Mary Douglas es in ihrer klassischen Studie, Purity and Danger, zeigte, sind Vorstellungen von Verschmutzung mit Symbolismus behaftet, und bieten Kulturen so "Analogien um ihrer allgemeine Meinung über die soziale Ordnung auszudrücken" Die Sauberen und Unsauberen sind, wie alles andere auch, Ausdrucksformen der Hierarchie und Messlatten sozialer Distanz. [61]

Die medizinische Beschneidung nahm so ihre eigene Position in der Suche des fin-de-siècle nach Rank und sozialer Ordnung ein. Sie verkörperte genau diese Abneigung gegenüber Schmutz-und nicht bloß Schmutz, sondern auch Vulgarität, schlechte Angewohnheiten und Krankheiten -ein Eingriff die einen symbolisch auf eine höhere Ebene setzte. Zweifellos war dies der beständige Quell ihrer Attraktivität für Patienten und Eltern. Außerhalb des Judentums war die Beschneidung ausschließlich die Domäne der Ärzte und der Patienten mit ausreichend Geld um sich den Wahleingriff leisten zu können. Die Ärzte gaben den Eltern die Empfehlung zur Beschneidung auf privater Ebene unmittelbar nach der Geburt eines Sohnes. Die Beschneidung, beteuerten sie, stellte den neusten Stand medizinischer Erkenntnis und chirurgischer Praxis dar. Die Operation selbst wäre einfach, und im höchsten Maße sicher; und darüber hinaus reduziere sie sofort das Risiko des Säuglings mit einer der tödlichen Kinderkrankheiten infiziert zu werden.

Von Jahr zu Jahr wandelte sich die Mutterschaftsfürsorge für die Mittel- und Oberklasse von einem häuslichen Ereignis, das von Hebammen, Verwandten und Freunden geleitet wurde hin zu einem medizinischen Ereignis unter der Aufsicht von Ärzten. Hebammen führten selten Beschneidungen durch, sodass die Entfernung der Vorhaut notwendigerweise der Nebeneffekt war, wenn man von einem Arzt entbunden wurde. Die Beschneidung war ein Anzeichen der Medikalisierung der Geburt; und wortwörtlich ein Symbol der wachsenden Autorität der Ärzteschaft über die Laienwelt. [62]

Auf einer mondäneren Ebene versprach die Beschneidung den Eltern die Tortur eines Tages mir der Masturbation umgehen zu müssen-einer Sorge, die bei viktorianischen Müttern vermutlich Übelkeit hervorrief. Die Beschneidung bedeutete, dass seine Eltern ihm jede Chance gegeben hatten, indem sie ihm von Anfang an die richtige medizinische Versorgung geboten hatten. Umgekehrt war das Potential für elterliche Schuld enorm, sollte der Sohn irgendeiner der schrecklichen Krankheiten anheimfallen, die die Beschneidung angeblich verhindern konnte. Frank G. Lydston betonte diesen Punkt in seiner populären Abhandlung über soziale Hygiene von 1912 unverblümt, als er schrieb, "Eltern die keine frühe Beschneidung an ihren Jungen vornehmen lassen handeln beinahe kriminell fahrlässig." [63]

Und so geschah es, dass die Vorhaut, die von der Ärzteschaft verachtet wurde, schließlich allgemein Ignoranz, Vernachlässigung, und Armut bedeutete. Als weiße Nicht-Juden der Mittelklasse die Beschneidung übernahmen, waren die Zurückgelassenen vorwiegend neue Immigranten, Afroamerikaner, die Armen und andere am Rande der respektablen Gesellschaft. [64] Trotz allen bedeutenden Fortschritten in allen Bereichen der Medizin und Chirurgie während des 20. Jahrhunderts ist es die mächtige gesellschaftliche Billigung, die die Standardpraktik der Beschneidung aufrechterhalten hat und das selbst nachdem die Theorien, auf denen sie einst begründet wurde, weggefallen waren. Als der Eingriff einmal den Punkt einer Standardpraktik erreicht hatte, wurde sie in das kollektive medizinische Bewusstsein eingefleischt, und schien folglich zu offensichtlich vorteilhaft zu sein um eine formale Analyse der Vorteile, Schäden, Kosten und Resultate zu verlangen. 

Mit Hinblick auf den Fortschritt der medizinischen Wissenschaft ist die Beschneidung eine Anomalie. Aber als eine Rhetorik für die Geschichte der klinischen Praxis-und allen voran der Chirurgie-ist sie ausgesprochen, um nicht zu sagen beängstigend, nachvollziehbar. Denn obwohl Ärzte erst seit kurzen damit begannen es anzuerkennen, standen klinische Praktiken niemals in engem Zusammenhang mit messbaren Ergebnissen. Das beeindruckende Gemisch an Lehrbüchern, Journalartikeln, Zeitschriften von Fachgesellschaften, voller esoterischer Vokabeln, Computermodellen und beeindruckenden Photographien-all das verleiht der Medizin und der Chirurgie eine Aura von Organisiertheit und Wissenschaftlichkeit, welcher die klinische Praxis jedoch in einem ungeheuren Ausmaß nicht im geringsten gerecht wird. Laut David M. Eddy, dem scharfsinnigsten modernen Kritiker des klinischen Entscheidungsfindungsprozess ist das Modell für die Leitlinien der klinischen Praxis keinesfalls das Labor. Eine geeignetere Metapher ist Adam Smiths klassischer Marktplatz, ein fortwährender Austausch konkurrierender Meinungen und Ansichten, auf dem eine "unsichtbare Hand" die Muster der medizinischen Praxis festlegt. [65]

Die sichtbaren Hände, die den Patienten behandeln sind nicht die Hände des Wissenschaftlers, sondern die von praktizierenden Ärzten, deren Konventionen, Gebräuche, und Vorgehensweisen zu aller erst durch die Beobachtung ihrer Lehrer, dann ihrer Berufsgenossen geprägt werden. Das ist der Prozess der praktischen medizinischen Ausbildung und auch von kultureller Überlieferung. 

Die unwissenschaftlichen Folgen dieses Prozesses werden erst seit kurzen einer Untersuchung unterzogen, und am schärfsten in einer neueren Arbeit über die "Unterschiede auf kleinen Einzugsgebieten." Indem sie die Muster der chirurgischen Praxis in verschieden Teilen des Landes untersuchten, dokumentierten die Forscher enorme Unterschiede hinsichtlich der Raten der häufigsten Operationen wie Hysterektomie und Tonsillektomie. Diese Variationen können jedoch nicht mit der Bevölkerungsdemographie, Morbidität, und Todesraten der fraglichen Gebiete korreliert werden. Der bedeutendste Faktor um die Häufigkeit eines Eingriffes vorherzubestimmen, so stellte sich heraus, ist die Anzahl der Ärzte, die in einem spezifischen Ort operieren und deren tief-verwurzelten lokalen Praxisstilen. Im Falle der Hysterektomie, beispielsweise hängen die Kriterien der Chirurgen zur Operation nicht von dem ab, was im American Journal of Obstetrics and Gynecology steht, sondern mehr davon, was die anderen Ärzte am örtlichen Krankenhaus machen. [66]

Beginnend in ihrer Facharztausbildung stellen die meisten Ärzte fest, dass der Druck sich dem anzugleichen, was innerhalb der örtlichen Ärzteschaft als Standard betrachtet wird, unüberwindbar ist. Andererseits formen diese Praxisstandards, da sie in ärztliche Autorität gehüllt sind, die Vorlieben des Patienten. Denn die Patienten nehmen normalerweise an, dass das, was die Ärzte als medizinischen Grundsatz akzeptieren auch das Beste ist. Diese Ehrerbietung vor der ärztlichen Autorität ist besonders mächtig, was die Medizintechnologie betrifft, vielleicht weil, wie Timothy Ferris bemerkte "die Wissenschaft prinzipiell mit Wissen zu tun hat, die Technologie mit Macht." [67]

Die Arzt-Patient-Beziehung hat einen eingebauten Mechanismus der gegenseitigen Bestärkung, die beide Parteien dazu ermutigt dem Rudel zu folgen. Im Laufe der Zeit setzten sich einige innerhalb er medizinischen wie auch der populären Kultur fest, sodass es unmöglich wird genau zu bestimmen, wie viel Nachfrage auf die Ärzte zurückgeht und wie viel auf die Patienten. [68] In dieser Hinsicht, steht die merkwürdige Geschichte der Neugeborenenbeschneidung in den USA beispielhaft für einen Prozess, durch den Ärzte, obgleich sie keine solide wissenschaftliche Grundlage der klinischen Folgen hatten, erfolgreich eine medizinische Routinepraktik in einen gesellschaftlichen Brauch verwandelten.

Postskriptum: Beschneidung ein Jahrhundert später

Wenn man bedenkt, dass der ursprüngliche intellektuelle Rahmen der medizinischen Beschneidung des späten 19. Jahrhunderts, bereits in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, Stück für Stück demontiert wurde, hätte man eigentlich erwarten müssen, dass die Beschneidung den gleichen Weg wie andere medizinische Marotten gegangen wäre. Stattdessen aber gewann sie an Stärke. Während den 1970ern, so wurde geschätzt, wurden bis zu 80 Prozent aller amerikanischen Jungen im Säuglingsalter beschnitten. Ungefähr die ersten zwei Drittel des 20. Jahrhunderts hindurch, war die routinemäßige Neugeborenenbeschneidung ein nicht hinterfragter Aspekt der gewöhnlichen Kinder-ärztlichen Praxis. Um die Jahrhundertwende, übernahmen medizinische Lehrbücher und Fachzeitschriften die Illustrationen verwendeten die Gepflogenheit den normalen Penis als beschnitten darzustellen, eine Gepflogenheit die daraufhin von den Herausgebern medizinischer Bücher für den Laienleser übernommen wurde. [69]

Das keine wissenschaftliche Untersuchung die Theorie bestätigten konnte, dass Zirkumzision die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten behindere, hielt die Ärzte nicht davon ab genau diese Ansicht weiter zu propagieren. Im Gefolge des Zweiten Weltkrieges beispielsweise zitierte Newsweek Dr. Eugene Hands Rede an die AMA, in der er anmerkte, dass während der "promiskuitive" und unbeschnittene Neger eine Inzidenz von Geschlechtsinfektionen von "beinahe 100% habe, blieb bei dem weithin gebildeten Juden, der bei der Geburt beschnitten wurde, die Rate der Geschlechtskrankheiten gleich oder nahm sogar ab." [70] Zur gleichen Zeit 1945 in England, dessen Erfahrung mit der Beschneidung vor den Zweiten Weltkrieg in etwa der Amerikas ähnlich war, begründete ein System der universellen Medizinische Versorgung unter dem National Health Service. Da sich Britische Ärzte nicht einigen konnten, ob die Beschneidung medizinisch effektiv war oder nicht, wurde die Beschneidung von der Liste der erstatteten Leistungen gestrichen. Seitdem mussten Eltern, die ihre Söhne beschneiden lassen wollten, eine Gebühr für die Operation bezahlen. Basierend auf Armeeunterlagen wurde geschätzt, dass vor dem Krieg 50 Prozent der englischen Männer aus der Arbeiterklasse und 85 Prozent aus der Oberklasse beschnitten waren. Unter dem National Health Service stürzte diese Rate ein. Anfang der 1960er wurde die Rate auf weniger als ein halbes Prozent geschätzt. Neuerlich kam es zu einem geringfügigen Wiederaufleben in der Popularität der Beschneidung, die zum Teil auf einen große Anzahl kleiner Jungen zurückzuführen ist, denen eine Phimose diagnostiziert wird. In einem Erklärungsversuch, stellten Forscher fest, dass in der Mersey Region zumindest "viele Jungen beschnitten werden wegen einer entwicklungsbedingten Nicht-Zurückziehbarkeit der Vorhaut und nicht wegen einer echten Phimose und demzufolge sind zwei Drittel der Operationen unnötig." [71]

Im Amerikanischen System der privaten Versicherung dagegen, erstatteten die Versicherer automatisch die Kosten des Eingriffs auf Grundlage des Ärztekonsens, dass es medizinisch nützlich sei. Erst in den 1960ern, einer Zeit intensivere Hinterfragung der vorherrschenden Lehrmeinungen und der institutionellen Autorität, hinterfragten Amerikanische Ärzte ernsthaft die medizinische Legitimität der routinemäßigen Neugeborenenbeschneidung. Was war der Grund dafür, fragen die Redakteure des Journal of the American Medical Association 1963, das seine Operation, die unter praktizierenden Ärzten so weit akzeptiert ist, aufgrund ihrer Fähigkeit Phimose zu 'heilen', Infektionen 'vorzubeugen', und 'prophylaktisch' gegen Karzinome zu wirken kein Interesse seitens Wissenschaftlern im Establishment der medizinischen Forschung fand? Die biomedizinische Gemeinschaft blieb gleichgültig. Mehr und mehr im Laufe der nächsten Jahre aber verwickelten Ärzte ihre Kollegen in Debatten über den Eingriff. Ihre Argumente stellten eine bizarre Mixtur aus Epidemiologie, Meinung, Vorurteilen und kultureller Spekulation dar. Ein Arzt an der Universität von Maryland beispielsweise, indem er die Beschneidung als die "die Vergewaltigung des Phallus" verurteilte, gab für die Popularität der Beschneidung den Frauen die Schuld. "Vielleicht nicht der geringste Grund warum Amerikanische Mütter diese Operation mit solcher Begeisterung gutheißen," schrieb er, "ist der Tatsache geschuldet, dass es eine Möglichkeit darstellt, wie eine stark matriachale Gesellschaft die körperlichen Charakteristika ihre Männer permanent beeinflussen kann." [72]

Eine besondere Kritik erschien 1969 im New England Journal of Medicine. In einem Artikel mit dem Titel "Ritualistische Chirurgie - Zirkumzision und Tonsillektomie" insistierte ein Kinderarzt namens Robert Bolande, dass es nur unzureichende Beweise gebe um irgendeine Operation als Präventivmaßnahme zu rechtfertigen und dass das Schneiden in Abwesenheit einer Erkrankung den bedeutendsten Grundsatz der Medizinethik verletzte primum non nocere (Zuerst schade niemanden) Systematischer untersuchte im darauf-folgenden Jahr ein weiterer Kinderarzt die wichtigste medizinische Literatur zum Thema der Beschneidung und kam infolge zu dem Schluss, dass keiner der gewichtigem medizinischen Vorteile, die der Beschneidung unterstellt wurden - allen voran die Vorbeugung sexuell übertragener Krankheiten und des Penis- und Prostatakrebs- einer Überprüfung standhalten können. Das Beste, was für die Operation vorgebracht werden könnte, so schlussfolgerte er, wäre, dass "die Beschneidung eine Verschönerung vergleichbar mit der Rhinoplastik sei." Unfähig überzeugende Daten im entgegengesetzten Sinne zu finden, erklärte 1971 der Amerikanische Kinderärzteverband, dieAmerican Academy of Pediatrics offiziell, dass es keine medizinischen Gründe zur routinemäßigen Säuglingsbeschneidung gebe, eine Entscheidung die vier Jahre später bestätigt wurde. Benjamin Spock, dessen Elternratgeber-Bestseller ursprünglich die Beschneidung befürwortete, änderte in der Zwischenzeit seine Meinung. Im Lichte der aktuellen medizinischen Haltung, berichtete er, schien die Operation "unnötig und zumindest geringfügig gefährlich." [73]

Merkwürdigerweise, änderten weder die offizielle Stellungnahme Spocks noch jene der Acadamy viel an der medizinischen Praxis. Ein Grund dafür ist, dass die American Academy of Pediatrics, über Meinungsverschiedenheit innerhalb ihrer Mitgliederschaft besorgt, ihre Entscheidung nicht veröffentlichte. Darüber hinaus weigerte sich in den gleichen Zeit der Amerikanische Verband der Geburtshelfer und Gynäkologen, ein Verband dessen Mitglieder Mütter bezüglich der Geburt berieten und selbst hunderttausende Beschneidungen durchführten, sich den Kinderärzten anzuschließen. Nach mehreren Jahren interner Streitigkeiten, veröffentlichte das  American Journal of Obstetrics and Gynecology schließlich eine Meinung, wenn auch nur mit gedämpften Ton. Obwohl manche Studien festgestellt hätten, dass die Beschneidung die Hygiene vereinfache, Balanoposthids (lokale Entzündung der Eichel) vorbeuge, und vielleicht das Risiko für Peniskarzinome senken könne, so hieß es im Journal, würden andere Faktoren gegen die Operation sprechen. Diese beinhalteten unlogische Grundlagen für die Patientenselektion fehlender informierte Zustimmung, Missachtung der Schmerzen, die Durchführung einer radikalen Technik in vielen Fällen durch ungeübte Chirurgen, unklare klinische Ziele, und keinen Beweis einer Kosteneffektivität. "Kliniker sollten Techniken nur dann gebrauchen, wenn sie sich sicher sind, dass sie Gutes tun" lautete die vernünftige Schlussfolgerung. "In der klinischen Praxis sollten Ärzte nicht beweisen müssen, dass Techniken nicht gefährlich sind." [74]

Nichtsdestotrotz geht die Debatte weiter. Alte Argumente über Reflexirritation, Phimose und verklebte Vorhaut sind vergessen, aber neue Theorien sind erstanden die ihren Platz einnehmen. Ein paar wenige weithin angepriesene Studien haben angedeutet, dass die Beschneidung vielleicht das Risiko von Harntaktinfektionen bei Säuglingen reduzieren könne.[75] Andere Forschungsarbeiten geben vor zu zeigen, dass weibliche Sexpartner unbeschnittener Männer an signifikant höheren Raten von Gebärmutterhalskrebs litten als jene von beschnittener Männer.[76] Ohne den Wert einzelner Studien aussortieren zu wollen, ist hervorzuheben, dass soweit der Zusammenhang von Ursache und Wirkung zwischen Beschneidung und Krankheitsprävention nie überzeugend genug bewiesen wurde um Ärzte in anderen industrialisierten Demokratien zu überzeugen die Beschneidung in ihre klinische Routine aufzunehmen. Sie zeichnet sich dadurch als einer der wenigen Beispiele des Amerikanischen Exzeptionalismus aus. 

Ungeachtet dessen, was die Fachzeitschriften erklärten, legen amerikanische Ärzte in privater Praxis weiterhin einen hohen Wert auf klinische Autonomie und in einem neuen Zeitalter des medizinischen Marketings auf das, was sie als die Vorlieben der Patienten betrachten, die die Rechnungen bezahlen. Die Operationsgebühren für die fünf-minütige Operation bewegen sich zwischen 50$ und 125$, was einige Kritiker zu der Annahme veranlasste, dass das Profitstreben der wichtigste Faktor ist, der die Beschneidung fortbestehen lässt. Für jene aber, die der Beschneidung zugeneigt sind, gibt es gerade genug wissenschaftliche Beweise um sie vernünftig scheinen zu lassen. Nach 1900 lies der Niedergang der Reflextheorie das Argument für die Beschneidung nicht hinfällig werden, sondern öffnete die Tür für andere Theorien. In den 1990ern ermöglichen Massen an neu verfügbaren epidemiologischen Daten den Beschneidungsbefürworten bis dahin unvorstellbare Hypothesen zu formulieren.

Ironischerweise aber im Kontext der Geschichte der medizinischen Argumente für die Beschneidung dennoch voraussehbar, haben manche Ärzte gemutmaßt, dass die Entfernung der Vorhaut Männer vor der meist gefürchteten Epidemie der postmodernen Welt schützen könne: dem humanen Immunodefizienzvirus (HIV). Mittels retrospektiver Daten (dem epidemiologischen Äquivalent des Empirismus) von einer Klinik für Geschlechtskrankheiten in Kenia beispielsweise beobachteten Forscher, dass die Raten von HIV-Infektion in den Heimatgemeinden der unbeschnittenen höher waren als der von beschnitten Männer. Unter völliger Missachtung rassischer, ethischer und soziokultureller Variablen -die Hauptfaktoren die bestimmen ob ein Afrikanischer Junge überhaupt beschnitten wird oder nicht -stellten sie die Hypothese auf, dass die Beschneidung vielleicht dabei helfen kann die Übertragung des AIDs-Virus zu behindern. Man fragt sich, ob diese Theorie bestehen kann. Aber innerhalb einer Ärzteschaft, die so verzweifelt nach irgendeiner Waffe gegen AIDS sucht, ist ihre Attraktivität verständlich. Selbst ein Arzt der ein nüchterner Skeptiker der Methodologie hinter solchen Studien ist, räumt ein, dass sie "andeuten, dass HIV während dem heterosexuellen Verkehr vielleicht infektiöser ist, wenn der männliche Partner unbeschnitten ist und muköse oder kutane Geschwüre hat." [77] AIDS, die Nemesis der modernen Wissenschaft und Medizin bleibt ein Rätsel. Durch einen gleichsam mysteriösen Prozess, so wird gemutmaßt, könne die Beschneidung vielleicht helfen.

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ENDNOTEN

  1. Annals of Gynaecology and Paediatry (Philadelphia) 4 (1890-91): 375, 383.
  2. Da es kein nationales oder regionales Register gibt, ist es schwer Beschneidungsraten  genau abzuschätzen. Bezeichnenderweise, spart der Amerikanische Chirugenverband den Eingriff aus in ihrem Socio-Economic Factbook for Surgery, 1991-92, ed. Rhonda J. Peebles and Diane S. Schneidman (Chicago, 1991). Unter Verwendung der Patientenakten von sieben großen Krankenhäusern von Connecticut bis Utah zwischen 1976 und 1980, ermittelte Edward Wallerstein Raten zwischen 77% und 97.6%. Siehe "The Uniquely American Medical Enigma," Urologic Clinics of North America, 12 (1985): 123-32. Im Gegensatz dazu, 1987 schätze das National Center for Health Statistics die landesweite Rate auf 61 Prozent. Zwei sehr kritische, wenn auch größten Teils nicht-historische Berichte über die Beschneidung in Amerika sind Edward Wallerstein's Circumcision: An American Health Fallacy (New York, 1980); und Rosemary Romberg, Circumcision: The Painful Dilemma (South Hadley, Mass., 1985).
  3. Die Beschneidung ist die älteste aufgezeichnete Operation, die  in einer Schnitzerei auf einer Ägyptischen Grabwand von 2400 v. Chr deutlich dargestellt wird, jedoch bleiben ihr Ursprung und ihre rituelle Bedeutung im Dunklen. Siehe Alexander Badawy's, The Tomb of Nyhetep-Ptah at Giza and the Tomb of Ankhmahor at Saqqara (Berkeley, 1978), 19. Beweise von mumifizierten Überresten die dem Ankhmahor Relief zeitlich vorangehen deutete an dass die Praktik Jahrhunderte frühe begründet wurde. Siehe Aidan and Even Cockburn, eds., Mummies, Disease, and Ancient Cultures (Cambridge, 1980), 18, 42; and Henry E. Sigerist, A History of Medicine, Vol. I, Primitive and Archaic Medicine (New York and Oxford, 1950), 345. Zu verschiedenen Zeiten wurde die Beschneidung innerhalb der jüdischen und der islamischen Welt aufgenommen, und ziemlich unabhängig voneinander in verschiedenen Gruppen von Afrikanern den Australischen Aborigines, ozeanischen Inselbewohnern, und Eingeborenenstämmen in Nord und Südamerika, der klassische ethnographische Bericht ist immer noch Felix Bryk's Die Beschneidung bei Mann and Weib (1934), übersetzt von David Berger als Circumcision in Man and Woman: Its History, Psychology, and Ethnology (New York, 1974). Für Beispiele der Spekulationen seitens kultureller Anthropologen, Ethnographen und Psychologen siehe J. Morrison, "The Origins of the Practices of Circumcision and Subincision among the Australian Aborigines," Medical Journal of Australia 1 (1967): 125-27; Bruno Bettelheim, "Symbolic Wounds," in William A. Lessa and Evon Z. Vogt, eds., Reader in Comparative Religion (2d ed., New York, 1965), 230-40, and Guenter Schmidt, "Beschneidung zwischen Macht und Profitinteresse: Von 2420 v. u. Z. bis 1989 u. Z.," Zeitschrift fuer Sexualforschung 2 (1989):171-76.
  4. Lewis A. Sayre, "Partial Paralysis from Reflex Irritation, Caused by Congenital Phimosis and Adherent Prepuce," Transactions of the American Medical Association 23 (1870): 205.
  5. Sayre, "Partial Paralysis from Reflect Irritation," 206.
  6. Sayre, "Partial Paralysis from Reflect Irritation," 206-7.
  7. Sayre, "Partial Paralysis from Reflect Irritation," 207-08.
  8. Sayre, "Partial Paralysis from Reflect Irritation," 210-11.
  9. Arthur Keith, Menders of the Maimed: The Anatomical & Physiological Principles underlying the Treatment of Injuries to Muscles, Nerves, Bones, & Joints (London, 1919), 180. Ein kurzer Abriss von Sayres Kariere bietet sein Sohn Reginald H. Sayre, in Howard A. Kelly und Walter L. Burrage, Dictionary of American Medical Biography: Lives of Eminent Physicians of the United States and Canada, for the Earliest Times (New York and London, 1928), 1079-80. Die Hochachtung, die ihm seine Zeitgenossen entgegenbrachten, kommt in den Lobenshymnen, die anlässlich seines Todes geschrieben wurden, deutlich zum Ausdruck. Siehe, beispielsweise, Medical Record (New York) 63 (1900): 505-06; Boston Medical and Surgical Journal 163 (1900): 331; Lancet 2 (1900): 1246. Als Student, im Alter von Neunzehn Jahren, hatte Sayre seinen Kreuzzug für die öffentliche Gesundheit bereits begonnen, indem er zwei Pamphlete veröffentlichte, Cholera!!! Caution to the Public (New York Board of Health, n.d.), und Directions to Prevent and Treat the Cholera (New York, 1849). On the cholera scare of 1866 see Charles E. Rosenberg, The Cholera Years: The United States in 1832, 1849 and 1866 (Chicago, 1962), 175-225.
  10. "Circumcision versus Epilepsy, Etc.," MedicalRecord (NewYork) 5 (1870- 71): 233-34.
  11. Lewis A. Sayre, "Paralysis from Peripheral Irritation, So-Called 'Spinal Anaemia'," Medical and Surgical Reporter (Philadelphia) 35 (1876): 305-08; Roswell Park, "Genital Irritation, Together with Some Remarks on the Hygiene of the Genital Organs in Young Children," Chicago Journal and Examiner 41 (1880): 567.
  12. Lewis A. Sayre, On the Deleterious Results of a Narrow Prepuce and Preputial Adhesion (Philadelphia, 1888). Listers Kommentar wird zitiert in Kelly, Dictionary of American Medical Biography, 1080.
  13. Für eine Übersicht der Reflextheorie und ihrer "bahnbrechenden Fähigkeit die Aufdringlichkeit unter Ärzten zu nähren," siehe Edward Shorter, From Paralysis to Fatigue: A History of Psychosomatic Illness in the Modern Era (New York, 1992), 20-24, 40-68, and 86-94; das Zitat ist von S. 40.
  14. Operationen an Frauen sind das Thema von G. J. Barker-Benfield, "Sexual Surgery in Late-Nineteenth-Century America," International Journal of Health Services 5 (1975): 279-88, and idem Horrors of the Half-Known Life: Male Attitudes toward Women and Sexuality in Nineteenth-Century America (New York, 1976). Barker-Benfield behauptet, der Wille der Ärzte Frauen aggressiv, ja sogar rücksichtslos zu operieren, habe ihren Ursprung in ihrer Furcht vor der weiblichen Emanzipation. Operationen, argumentiert er, wurden als Mechanismus der sozialen Unterdrückung eingesetzt, weil sie ein weit-verbreitetes Unbehagen widerspiegelten und von Männern aus der Mittelklasse und den Mächtigen bereitwillig akzeptiert wurde. Zur Battey'schen Operation siehe Lawrence D. Longo, "The Rise and Fall in Battey's Operation: A Fashion in Surgery," Bulletin of the History of Medicine 53 (1979), 224-67; and Shorter, From Paralysis to Fatigue, 75-78; the quotation is from p. 78.
  15. Andrew Scull and Diane Favreau, "The Clitoridectomy Craze," Social Research 53 (1986), 243-60; idem, "'A Chance to Cut is a Chance to Cure': Sexual Surgery for Psychosis in Three Nineteenth Century Societies," in Research in Law, Deviance, and Social Control, vol. 8, ed. Steven Spitzer and Andrew Scull (Greenwich, Conn., 1986), 3-39; Shorter, From Paralysis to Fatigue, 81-86.
  16. E. E. Nichols,"Incontinence of Urine of Eight Years' Duration Relieved by Circumcision," Medical Record (New York) 15 (1879): 394; Everard H. Richardson, Jr., "Congenital Phimosis and Adherent Prepuce Producing Anomalous Nervous Phenomena - Paralysis of Motion, and Dementia - Operation, Followed by Permanent Relief," Transactions of the Medical Association of Georgia 31 (1880): 149; "Some of the Consequences of Phimosis and Adherent Prepuce," Louisville Medical News 13 (1882): 25.
  17. H. Horace Grant, "Phimosis the Cause of Convulsions in an Infant," Medical Herald (Louisville) 1 (1879-80): 223; E. P. Hurd, "Phimosis with Lithuria; Circumcision - Recovery," Medical and Surgical Reporter (Philadelphia) 35 (1876): 395-97.
  18. Norman H. Chapman, "Some of the Nervous Affections which Are Liable to Follow Neglected Congenital Phimosis in Children, Medical News (Philadelphia) 41 (1882): 317.
  19. J. M. McGee, "Genital Irritation as a Cause of Nervous Disorders," Mississippi Valley Medical Monthy 2 (1882): 103, zitiert Grays Paper. Während die Popularität der Reflextheorie nach der Wende zum 20. Jahrhunderts zurückging, gab es dennoch Ärzte die auf sie zurückfielen um die Beschneidung zu rechtfertigen. SieheE. J. Abbott, "Circumcision," St. Paul Medical Journal (Minnesota) 12 (1910): 71-74; C. F Anderson, "Circumcision," Journal of the Tennessee Medical Association 6 (1913-1914): 379-81; S. L. Kistler, "Rapid Bloodless Circumcision of Male and Female: Its Technic," JAMA 54 (1910): 1792.
  20. McGee, "Genital Irritation as a Cause of Nervous Disorders," 103-05.
  21. Norbert Elias, The Civilizing Process, trans. Edmund Jephcott, 2 vols. (1978); Lawrence Wright, Clean and Decent: The Fascinating History of the Bathroom and the Water Closet (New York, 1960); Harold Donald Eberlein, "When Society First Took a Bath," in Sickness and Health in America: Readings in the History of Medicine and Public Health, ed. Judith Walzer Leavitt and Ronald L. Numbers (Madison, 1978), 335-38; Richard L. Bushman, The Refinement of America (New York, 1993); Richard L. Bushman and Claudia L. Bushman, "The Early History of Cleanliness in America," Journal of American History 74 (1988): 1213-38 (the quotation is from p. 1214).
  22. William A. Alcott, "On Cleanliness," The Moral Reformer and Teacher on the Human Constitution 1 (1835): 13, zitiert in Richard L. und Claudia L. Bushman, "History of Cleanliness," 1224.
  23. Richard L. Bushman and Claudia L. Bushman,"History of Cleanliness," 1230-31.
  24. Für eine Diskussion "der Modernisierung des Schmutzes und die neue öffentliche Gesundheit," siehe Paul Starr, The Social Transformation of American Medicine (New York, 1982), 189-97.
  25. Der Zusammenprall des traditionellen Empirizismus mit der neuen bakteriologischen Wissenschaft in Naomi Rogers' Dirt and Disease: Polio before FDR (New Brunswick, 1992). Das Ausmaß, in dem die öffentliche Gesundheit zur Jahrhundertwende hin persönlicher wurde, als sie es vorher gewesen war, und was dieser neue Fokus auf die Einzelperson und die klinische Praxis bedeuteten, sind Thema eines wachsenden Forschungsbestands. Verfolgen lässt sich die sich wandelnde Orientierung der Historiographie der öffentlichen Gesundheit in Barbara G. Rosenkrantz, Public Health and the State: Changing Views in Massachusetts, 1842-1936 (Cambridge, Mass., 1972); John Duffy, A History of Public Health in New York City, 2 vols. (New York, 1968, 1974); idem, The Sanitarians: A History of American Public Health (Urbana, 1982); and Judith Walzer Leavitt, The Healthiest City: Milwaukee and the Politics of Health Reform (Princeton, 1982). Ein aktuelleres Interesse darin, wie die Keimtheorie im gesellschaftlichen Kontext der öffentlichen Gesundheit bekannt gemcht wurde, ist Nancy Tomes's "The Private Side of Public Health: Sanitary Science, Domestic Hygiene, and the Germ Theory, 1870-1900," Bulletin of the History of Medicine 64 (1990): 509-39; Barbara Bates, Bargaining for Life: A Social History of Tuberculosis (Philadelphia, 1992); und Judith Walzer Leavitt, "'Typhoid Mary' Strikes Back: Bacteriological Theory and Practice in Early Twentieth-Century Public Health," Isis 83 (1992): 608-29.
  26. Charles V Chapin, How to Avoid Infection (Cambridge, Mass., 1917), 62; Leavitt, "'Typhoid Mary' Strikes Back," 621.
  27. Jno. Young Brown, "A Practical Suggestion in Regard to the Technique of the Operation of Circumcision," Medical Mirror (St. Louis) 1 (1890): 23.
  28. P[eter] C[harles] Remondino, History of Circumcision from the Earliest Times to the Present: Moral and Physical Reasons for Its Performance (Philadelphia and London, 1891), 256, 11.
  29. Remondino, History of Circumcision, 206-10, 255-56, 290-91, 300.
  30. John Ashurst, The Principles and Practice of Surgery (Philadelphia, 1878); Herbert Snow, Clinical Notes on Cancer: Its Etiology and Treatment (London, 1883), 24; William Rose and Albert Carless, A Manual of Surgery for Students and Practitioners (New York, 1898),1064.
  31. Für einen Bericht von General Grants Martyrium und "Cancerphobie" im spätviktorianischen Amerika siehe James T. Patterson's The Dread Disease: Cancer and Modern American Culture (Cambridge, Mass., 1987), 1-35; Shrady's Anmerkung stammt aus dem New York Tribune 31 July 1885, zitiert auf S. 27. Remondino, History of Circumcision, 227.
  32. Oswei Temkin, "Therapeutic Trends and the Treatment of Syphilis before 1900," Bulletin of the History of Medicine 39 (1955): 309-16; Allan M. Brandt, No Magic Bullet: A Social History of Venereal Disease in the United States since 1880 (expanded ed., New York, 1987), 7-37.
  33. Ashurst, Principles and Practice of Surgery, 945; William Rose and Albert Carless, A Manual of Surgery for Students and Practitioners (New York, 1889), 1064; S. Dunlop, "Case of Sebaceous Cysts of the Prepuce Resembling Epithelioma," Medical Press (London) 34 (1882): 374; D. B. Simmons, "A Case of Epileptiform Convulsion Cured by a Simple Detachment of a Glandulo-preputial Adhesion," American Journal of Medical Science (Philadelphia) 79 (1880): 444; E. von Bergmann, R. von Bruns, and J. von Mikulicz, A System of Practical Surgery, vol 5, Surgery of the Pelvis and Genito-Urinary Organs, trans. William T. Bull and Edward Milton Foote (New York and Philadelphia, 1904), 627-30; A. C. Williams, "Circumcision," Medical Standard (Chicago) 6 (1889): 138-39; Simes, "Circumcision," 380. Remondino gebrachte die gleiche Logik: "Die Absenz der Vorhaut und der nicht-absorbierende Charakter der Haut der Glans penis, verursacht durch konstante Entblößung, mit der notwendigen undvermeidbaren geringeren Tendenz dieser Zustände die syphilitische Inokulation zu begünstigen." (History of Circumcision, 192).
  34. John S. Billings, "Vital Statistics of the Jews," North American Review 152 (1891): 70-84; idem Vital Statistics of the Jews of the United States (Washington, D.C., 1890); Howard M. Sachar, A History of the Jews in America (New York, 1992), 149.
  35. Ein New Yorker Arzt, Abraham L. Wolbarst, führte eine ausgiebige Umfrage unter seinen Kollege aus über die Unterschiede in den Raten mehrere Krankheiten zwischen Juden und Nicht-Juden. Mit einer einzigen Ausnahme berichteten sie von deutlich geringeren Raten venerischer Krankheiten und Genitalkarzinome unter Juden ("Universal Circumcision as a Sanitary Measure," Journal of the American Medical Association 62 [1914]: 92-97).
  36. Diese Bemerkung, die sich auf die ganze Bandbreite der Jüdischen Ernährungs-und Reinlichkeitspraktiken bezieht, wird zitiert in Maurice Fishberg, "Health and Sanitation of the Immigrant Jewish Population of New York," Menorah 33 (1902): 73-82 (p. 75); Remondino, History of Circumcision, 186. Obwohl die genaue Erklärung für den Unterschied weiterhin unklar bleibt, haben Forscher kürzlich bestätigt, dass Jüdische Immigranten bedeutend niedrigere Raten an Säuglingssterblichkeit aufwiesen, als Nicht-Juden. Siehe Gretchen A. Condran and Ellen A. Kramarow, "Child Mortality among Jewish Immigrants to the United States," Journal of Interdisciplinary History 22 (1991): 223-254.
  37. Ricketts, "One Hundred and Fifty Circumcisions," 364-65. Ricketts übertrieb keines falls, obwohl die Technik, die er beschrieb relative selten war. Wolbarst erzählte seinen Lesern, er habe die "Versicherung von Rabbi Philip Jaches von New York, der mehr als sieben tausend Beschneidungen erfolgreich durchgeführt hat, dass die altertümliche Praktik des Aussagen der Wunde als überkommen angesehen wird, und dass Baumwolle und Mull, mit antiseptischen Lösungen befeuchtet, zur Hämostase weithin verwendet würden." ("Universal Circumcision as a Sanitary Measure," 93).
  38. A. Brothers, "Gangrene of the Penis after Ritual Circumcision," Medical Record (New York) 51 (1897): 157; A. Schirman, "A Case of Tetanus in an Infant after Circumcision, with Recovery," New York Medical Journal 62 (1895): 148; M. W. Ware, "A Case of Inoculation Tuberculosis after Circumcision," New York Medical Journal 67 (1898): 287; C. H. Mastin, "Circumcision a Cause of Reflex Irritation of the Genito-Urinary Organs," Gaillard's Medical Journal (New York) 39 (1885): 355-62; Fred C. Valentine, "Surgical Circumcision; its Technique; Prevention of Infection; its Legal Control," Medical Record (New York) 57 (1900): 1102-03; Harry Levien, "Circumcision - Dangers of Unclean Surgery," Medical Record (New York) 46 (1894): 621.
  39. R. Hochlerner, "Circumcision - Do We Need Legislation for It?" Medical Record (New York) 46 (1894): 702. Fragen der Technik und Hygiene wurden in Deutschland und Frankreich vorgebracht. Aber die Ärzte in diesen Ländern, da sie von neuen Wellen der komparativen Ethnographie fasziniert waren, betrachteten die Beschneidung weiterhin primär als ein religiöses Ritual, und nicht eine Praxis, die es galt in den Mainstream der Medizin aufzunehmen. Siehe, J. Jaffé, Die rituelle Circumcision im Lichte der antiseptischen Chirurgie mit Berücksichtigung der religiösen Vorschriften (Leipzig, 1886); Die Beschneidung in ihrer geschichtlichen, ethnographischen, religiösen und medicinischen Bedeutung..., ed. A. Glassberg (Berlin, 1896); and J. B. Joly, Histoire de la circoncision. Etude critique du rnanuel opératoire des Musulmans et des Israélites (Paris, 1895).
  40. N. M. Shaffer, "On Indiscriminate Circumcision," Annals of the Anatomical and Surgical Society of Brooklyn 3 (1881): 243-47; H. Snow, The Barbarity of Circumcision... (London, 1890); "Circumcision," Medical Record (New York) 46 (1894): 593. Nicht zufrieden mit dieser Kritik, schrieb der Autor weiter, "Der Ritus, der in diesen modernen Zeiten die frühe religiöse Zeremonie der Beschneidung ersetzen könnte, wäre,nach Ansicht vieler, die Resektion des spermatischen Gürtels der verdorbenen und gestörteren Klassen, sodass sich Ihresgleichen nicht länger fortpflanzen können. Spermatorektomie wird wahrscheinlich über die Zirkumzision triumphieren und diese ersetzen, sofern dies überhaupt etwas vermag." (594).
  41. Starr, Social Transformation of American Medicine, 164-70; Charles E. Rosenberg, The Care of Strangers: The Rise of America's Hospital System (New York, 1987), 149.
  42. Martin S. Pernick, A Calculus of Suffering: Pain, Professionalism, and Anesthesia in Nineteenth-Century America (New York, 1985), 7, 237.
  43. C. Knox-Shaw, "An Easy, Rapid, and Effectual Method of Performing Circumcision," Homeopathic Journal of Obstetrics (Philadelphia) 13 (1891): 209; G. W. Overall, "Painless Circumcision," Medical Record (New York) 39 (1891): 78. Also see J. Madden, "Cocaine as an Anesthetic in Circumcision," Therapeutic Gazette (Detroit) 2 (1886): 229; and F. N. Otis, "Circumcision under Cocaine," New York Medical Journal, 43 (1886): 513.
  44. Samuel E. Newman, "A Circumcision Operation for the Young," Journal of the American Medical Association (hereafter JAMA) 53 (1909): 1737; Brown, "A Practical Suggestion," 22; Simes, "Circumcision," 381-82.
  45. S. Baruch, "New Circumcision Scissors," Gaillard's Medical Journal (New York) 33 (1882): 25-26; John W. Ross, "An Easy and Ready Method of Circumcision," Medical Record (New York) 48 (1895): 323; A. U. Williams, "Circumcision," Medical Standard (Chicago) 6 (1889): 138. See also B. Lewis, "The Neatest Circumcision," Medical Record (St. Louis) 23 (1895): 81-83.
  46. B. Merrill Ricketts, "Circumcision: The Last Fifty of Two Hundred Circumcisions," New York Medical Journal 59 (1894): 431-32.
  47. Hochlerner, "Circumcision," 702; Newman, "A Circumcision Operation for the Young," 1738.
  48. Typical examples of the argument for operating as early as possible are W. B. Harlow's "Circumcision in infancy," Medical Record (New York) 64 (1903): 495; and W. R. Wilson, "A Simple Method of Circumcision in the New-born," Archives of Pediatrics 25 (1908): 841-43.
  49. Samuel H. Preston and Michael R. Haines, Fatal Years: Child Mortality in Late Nineteenth-Century America (Princeton, 1991); Sydney Halpern, Pediatrics: The Social Dynamics of Professionalism, 1880-1980 (Berkeley, 1988), ch. 1; Harvey Levenstein, "'Best for Babies' or 'Preventable Infanticide?' The Controversy over Artificial Feeding of Infants in America, 1880-1920," Journal of American History 70 (1983): 76; Richard A. Meckel, Save the Babies: American Public Health Reform and the Prevention of Infant Mortality, 1850-1929 (Baltimore and London, 1990), 40-61.
  50. J. A. Hofheimer, "Phimosis; A Plea for Its Relief by Early Operation," Journal of the American Medical Association 21 (1893): 890-91; H. L. Rosenberry, "Incontinence of Urine and Feces, Cured by Circumcision," Medical Record (New York): 173. In einer warnenden Antwort auf Rosenberry's Paper, John S. McCullough berichtete über einen Fall, indem er zur Beschneidung eines Monate alten Babys mit "schwerwiegender Verdauungsstörung." Die Eltern weigerten sich und der Junge starb. (Medical Record [New York] 46 [1894]: 342).
  51. Donald Fleming, Williams H. Welch and the Rise of Modern Medicine (Boston, 1954), 11.
  52. Für eine Diskussion des sich wandelnden Paradigmas der Krankheit während dieser Epoche, siehe, K. Codell Carter's "The Development of Pasteur's Concept of Disease Causation and the Emergence of Specific Causes in Nineteenth-Century Medicine," Bulletin of the History of Medicine 65 (1991): 528-48. Charles E. Rosenberg hat die Auswirkungen des neuen wissenschaftlichen Paradigmas für Vikorianische Ärzte deutlich dargestellt in seinem Essay, "The Therapeutic Revolution: Medicine, Meaning, and Social Change in Nineteenth-Century America," in Morris J. Vogel and Charles E. Rosenberg, eds., The Therapeutic Revolution: Essays in the Social History of American Medicine (Philadelphia, 1979), 3-26. Die Ungereimtheiten und Spannungen die zwischen der neuen bakteriologischen Wissenschaft und der klinischen Praxis entstanden sind Thema von John Harley Warners "Ideals of Science and Their Discontents in Late Nineteenth-Century American Medicine," Isis 82 (1991): 454-78.
  53. Eltiott T. Brady, "Masturbation, with Illustrative Cases, and Remarks," Virginia Medical Monthly 18 (1891-92): 259; Francis P. Kinnicutt, "A Clinical Contribution on Insanity in Children, Induced by Masturbation," Transactions of the American Neurological Association 1 (1875): 195-200. Obwohl Irrenärzte und Anstaltsärzte die Masturbation seit dem frühen neunzehnten Jahrhundert mit Geisteskrankheit in Verbindung brachten, waren ihre großen Gefahren bis in die 1860er keine große Sorgenangelegenheit für die Mainstream Psychiater. Siehe E. H. Hare, "Masturbatory Insanity: The History of an Idea," Journal of Mental Science 108 (1962): 1-20; and R. P Neuman, "Masturbation, Madness, and the Modern Concepts of Childhood and Adolescence," Journal of Social History 8 (1975): 1-27.
  54. Remondino, History of Circumcision, 269; Francis P. Kinnicutt, "A Clinical Contribution on Insanity in Children, Induced by Masturbation," Transactions of the American Neurological Association 1 (1875): 195-200. Die Vorstellung, dass Masturbation in der frühen Kindheit Kinder auf den Weg ins Verderben führe, kommt zeigt sich am stärksten in Joseph Howe's Excessive Venery, Masturbation and Continence (New York, 1889). Amerikas anhaltende Schreckhaftigkeit , was die Masturbation von Kindern angeht,wird beschrieben in Irwin M. Marcus, ed., Masturbation; From Infancy to Senescence (New York, 1975).
  55. Hurd, "Phimosis with Lithuria," 397; George M. Beard, "Sexual Neurasthenia," Medical Bulletin (Philadelphia) 4 (1882): 621.
  56. Robert N. Tooker, All About Baby and Preparations for Its Advent... (Chicago and New York, [1896]), 304; L. Emmett Holt, The Diseases of Infancy and Childhood (New York, 1902), 679-80; Remondino, History of Circumcision, 224.
  57. Für eine Übersicht der Debatte über Maskulinität und männliche Sexualität im späten neunzehnten Jahrhundert siehe Mark C. Carnes und Clyde Griffen, eds., Meanings for Manhood: Constructions of Masculinity in Victorian America (Chicago, 1990); and Kevin J. Mumford, "'Lost Manhood' Found: Male Sexual Impotence and Victorian Culture in the United States," Journal of the History of Sexuality 3 (1992): 33-57.
  58. A. J. Howe, The Art and Science of Surgery (Cincinnati, 1879), 691; Samuel Wesel Gross, A Practical Treatise on Impotence, Sterility, and Allied Disorders of the Male Sexual Organs (Philadelphia, 1890); Remondino, History of Circumcision, 216, 211; and idem, "Some Observations on the History, Psychology, and Therapeutics of Impotence," Pacific Medical Journal 42 (1899): 522.
  59. Wolbarst, "Universal Circumcision as a Sanitary Measure," 92, 95. Beispiele der Suche nach einer verlässliche Operation sind unter anderen J. A. Gardner und N. W. Wilson, "The Best Method of Infant Circumcision," Buffalo Medical Journal 41 (1901-1902): 891; H. J. Millstone, "A Cosmetically Perfect, Bloodless Circumcision," Medical Record (New York) 92 (1917): 680-82; C. T. Stone, "The Guillotine: A Simple One-Man Instrument for Doing Circumcisions," Medical Record (New York) 98 (1920): 479.
  60. Remondino, History of Circumcision, iii; Bushman, The Refinement of America, 403. Dieses von Ärzten angeführte Bewegung, mit seiner klassen-basierte Sichtweise auf den männlichen Körper, ist im Einklang mit Charles Rosenberg's Essay, "Sexuality, Class, and Role in Nineteenth-Century America," in No Other Gods: On Science and American Social Thought, ed. Charles Rosenberg (Baltimore, 1987).
  61. Mary Douglas, Purity and Danger: An Analysis of Concepts of Pollution and Taboo (New York and Washington, 1966) bietet eine interessante Perspektive auf die soziokulturelle Bedeutung von Dreck und Verschmutzung in primitive Gesellschaften. Eine andeutende Behandlung der Beziehung zwischen der Rolle der Vorstellungen von Schmutz und den "Fantasien der Rasse" ist Joel Kovel, White Racism: A Psychohistory (New York, 1970), esp. 51-92.
  62. Neugeborenenbeschneidung entstand in der gleichen Zeit, als Ärzte die Praxis der Geburtshilfe weitgehend neubewerteten, und dabei Operationen entwickelten wie die Episiotomie (Einschneiden des Dammgewebes) um die Geburt zu erleichtern, und die Entbindungen durch Kaiserschnitt in großem Umfang ausweiteten. Siehe Judith Walzer Leavitt's Brought to Bed: Childbearing in America, 1750-1950 (New York and Oxford, 1986), esp. 142-170. Die Dimension der sozialen Klasse im Kampf zwischen ärzten und Hebammen wird dokumentiert in Nancy Schrom Dyes "Modern Obstetrics and Working Class Women: The New Midwifery Dispensary, 1890-1920," Journal of Social History 20 (1986-87): 549-564.
  63. Nancy Schrom Dye und Daniel Blake Smith, "Mother Love and Infant Death, 1750-1920," Journal of American History 73 (1986): 329-53, argumentieren auf überzeugende Weise , dass die frühen Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts hindurch, Amerikanische Mütter empfänglich auf medizinische Beratung waren, die ihnen Hilfe versprach um den Verheerungen der Säuglingssterblichkeit zu entkommen. Bezüglich der exzessiven Sittsamkeit den diese Ratgeberbücher Vorschub leisteten siehe Ronald Walters's Primers for Prudery: Sexual Advice to Victorian America (Englewood Cliffs, 1974). Frank G. Lydston, Sex Hygiene for the Male (Chicago, 1912) quoted in Wolbarst, "Universal Circumcision as a Sanitary Measure," 97.
  64. M. Calnan, J. W. Douglas, and H. Goldstein, "Tonsillectomy and Circumcision: Comparisons of Two Cohorts," International Journal of Epidemiology 7 (1978): 78-85. Bestätigt die Hypothese, dass beide Operation mit der sozialen Klasse korrelierten, wobei die besser-gestellten Kinder häufiger operiert wurden. 
  65. David M. Eddy, "Practice Policies: Where Do They Come From?" JAMA 263 (1990): 1265-1275. Aufschlussreiche Erörterungen der unwissenschaftlichen Basis der klinischen Praxis und die Rolle der Unsicherheit bei den Behandlungsentscheidungen der Ärzte sind: Eddy's "Clinical Policies and the Quality of Clinical Practice," NEJM, 307 (1982): 343-347; idem, "Variations in Physician Practice: The Role of Uncertainty," Health Affairs 3 (1984): 74-89; and idem, "Clinical Decision Making: From Theory to Practice," JAMA 263 (1990): 441-34, 877-80, 1839-41. Die Kluft zwischen grundlegender biomedizinischer Wissenschaft und klinischer Praxis, und die  resultierende schlechte Qualität der klinischen Wissenschaft ist das Thema von  Alvan R. Feinstein's, "The Intellectual Crisis in Clinical Science: Medaled Models and Muddled Mettle," Perspectives in Biology and Medicine 30 (1987): 215-30.
  66. Für eine Übersicht der Abweichungen auf kleinem Gebiet siehe John E. Wennberg and Alan Gittlesohn, "Small Area Variations in Health Care Delivery," Science 182 (1973): 1102-08; John E. Wennberg, "Small Area Analysis and the Medical Care Outcome Problem," in AHCPR (Agency for Health Care Policy and Research) Conference Proceedings, Research Methodology: Strengthening Causal Interpretations of Nonexperimental Data (Washington: Department of Health and Human Services, 1990), 177-206; idem, "Professional Uncertainty and the Problem of Supplier-induced Demand," Social Sciences and Medicine 16 (1982): 811-24; und idem, "Which Rate is Right?" NEJM 314 (1986): 1310-11. Für ein Beispiel einer oft unbegründeten chirurgischen Praxis die in vielerlei Hinsicht der Routine-Beschneidung ähnelt, siehe Norman Gleichers "Cesarean Section Rates in the United States: The Short-term Failure of the National Consensus Development Conference in 1980," JAMA, 252 (1984): 3273-76.
  67. Timothy Feris, "The Case against Science," New York Review of Books, 13 May 1993, 17.
  68. David M. Eddy, "Practice Policies: Where Do They Come From?" JAMA 263(1990): 1265-75. Bezüglich der Angelegenheit der Beschneidung, wie mit vielen anderen medizinischen Entscheidungen, vermischen Patienten, soziale kulturelle und medizinische Fragen. Beispielsweise, auf der Basis von 190 Fragebögen, die von Frauen ausgefüllt wurden, die ihre Söhne beschneiden liesen, belegte eine Studie dass die gesundheitlichen Vorteile die Mütter mit dem Eingriff assoziierten kaum oder gar keine medizinische Stichhaltigkeit hatten. Gleichzeitig verstanden nur wenige Mütter die Risiken des Eingriffs. Siehe J. E. Lovell and J. Cox, "Maternal Attitudes toward Circumcision," Journal of Family Practice 9 (1979): 811-13. In jüngster Zeit, stellte eine Untersuchung sie an Eltern durchgeführt wurde, die vermutlich chirurgische Intervention gegenüber eher abgeneigt waren-eine Gruppe von Frauen und Männern die an Kursen für natürliche Geburt teilnehmen- dass beinahe zwei Drittel von ihnen sich entschieden hatten ihre junges aus eindeutig  sozialen Gründen zu beschneiden . Die Entscheidendsten unter diesen Gründen waren die Furcht, die geäußert wurde, dass ihre Söhne stigmatisiert würden wenn sie nicht beschnitten sind, weil  sie anders als andere Jungen wie auch als ihre eigene Väter wären. Siehe Jay Brodbar-Nemzer, Peter Conrad, and Shelly Tenenbaum, "American Circumcision Practices and Social Reality," Sociology and Social Research 71 (1987): 275-79.
  69. Ängstliche Amerikanische Medizinredakteure und Illustratoren ärgern sich seit langem darüber, wie man Sexualorgane darstellen soll ohne Lüsternheit zu suggerieren. Gelegentlich führt Prüderie (und ein obsessives Verlangen nach Reinlichkeit) zu Absurditäten, beispielsweise wenn der ehrfurchtserbietende Medizinratgeber der Mayo Klinik die Genitalien und Körperbehaarung  bei der Abbildung des nackten Mannes auspart auf der ersten Seite ihres "Color Atlas of Human Anatomy" (Mayo Clinic Family Health Book, ed. David E. Larson [New York, 1990], A-1).
  70. Newsweek, 21 July 1947, 49; E. A. Hand, "Circumcision and Venereal Disease," Archives of Dermatology and Syphilis 60 (1949): 341-46.
  71. Hugh Jolly, Practitioner, 192 (1964): 257; A. M. Rickwood, J. Walder, "Is Phimosis Overdiagnosed in Boys and Are Too Many Circumcisions Performed in Consequence?Annals of the Royal College of Surgeons of England 71 (1989): 275.
  72. JAMA, 185 (1963): 180; W. K. C. Morgan, "The Rape of the Phallus," JAMA 193 (1965): 124. Morgan's Artikel empörte viele Ärzte, mehr aufgrund seines Angriffs auf die Rechtmäßigkeit der Beschneidung als wegen seiner Abwertung von Müttern, was sogar soweit ging, dass einige meinten, er verdiene es vor das Komitee für unamerikanische Umtriebe (engl. House Committee on Un-American Activities.) gezerrrt zu werden. Siehe Morgans "Reply to J. Greenblatt," American Journal of Disease of Children 111 (April 1966): 448.
  73. R. P. Bolande, "Ritualistic Surgery - Circumcision and Tonsillectomy," New England Journal of Medicine 280 (1969): 591-96; E. N. Preston, "Whither the Foreskin? A Consideration of Routine Neonatal Circumcision," JAMA 213 (1970): 1853-58. H. C. Thompson, L. R. King, E. Knox, and S. B. Korones, "Report of the ad hoc Task Force on Circumcision," Pediatrics 56 (1975): 610-11. Diese Studie enthielt sowohl eine offene Bewertung der Risiken des Eingriffswie auch die Spekulation, die Beschneidung würde die Hygiene verbessern und helfen sexuell übertragene Krankheiten und einige Krebsarten vorzubeugen und zu kontrollieren. Benjamin Spock, Letter to the Editor, Moneysworth, 29 March 1976, 12.
  74. D. A. Grimes, "Routine Circumcision of the Newborn Infant: A Reappraisal," American Journal of Obstetrics and Gynecology 130 (1978): 125-29.
  75. T. E. Wiswell, F. R. Smith, J. W. Bass, "Decreased Incidence of Urinary Tract Infections in Circumcised Male Infants," Pediatrics 75 (1985): 901-03: L. W. Herzog, "Urinary Tract Infections and Circumcision: A Case-Control Study," American Journal of Childhood Diseases, 143 (1989): 348-50; D. Spach et al., "Lack of Circumcision Increases the Risk of Urinary Tract Infection in Young Men," JAMA 267 (1992): 679-81; T. E. Wiswell and W. E. Hatchey, "Urinary Tract Infections and the Uncircumcised State: An Update," Clinical Pediatrics 32 (1993): 130-34. Eine scharfe Kritik dieses Ansatzes schlussfolgerte, dass selbst wenn man ihre Resultate ernsthaft glauben würde, aufgrund der Risiken des Eingriffs "für die Liste an Werten, die den möglichen Ergebnissen zugeschrieben wurden,  die Wahl "nicht zu beschneiden", den größten voraussichtlichen Vorteil ergab." Siehe John B. Chessare, "Circumcision: Is the Risk of Urinary Tract Infection Really the Pivotal Issue?Clinical Pediatrics (1992): 100-04; and Martin S. Altschul, "The Circumcision Controversy," American Family Physician 41 (1990): 817-19.
  76. Zum größten Teil , fokussiert sich die Literatur die Beschneidung mit einer reduzierten Inzidenz von Gebärmutterhalskrebs in Verbindung bringt auf bestimmte Typen des Papillomavirus (wie auch andere sexuell übertragene Krankheiten). Es wird davon ausgegangen, dass dieser Virus eine Rolle bei der Pathogenese der Cervixkarzinome spielt.Siehe I. I. Kessler, "Etiological Concepts in Cervical Carcinogenesis," Gynecological Oncology 12 (1981), Suppl. 2: 7-24; W. C. Reeves, W. E. Rawls, and L. A. Brinton, "Epidemiology of Genital Papillomaviruses and Cervical Cancer," Review of Infectious Diseases 11 (1989): 426-39. Wie aber Ronald L. Poland hinweist, "Studien korrelierten den Kontakt mit unbeschnittenen Sexualpartnern mit der Inzidenz von Gebärmutterhalskrebs korrelierten, aber der beschnittene Status ist mit dem humanen Papillomavirus vergesellschaftet und anderen ptentiell onkogenen Viren." ("The Question of Routine Neonatal Circumcision," NEJM 332 [1990]: 1314).
  77. J. N. Simonsen, D. W. Cameron, M. N. Gakinya, et al., "Human Immunodeficiency Virus Infection among Men with Sexually Transmitted Diseases: Experience from a Center in Africa," NEJM 319 (1988): 274-78; D. W Cameron, J. N. Simonsen, L. J. D'Costa, et al., "Female to Male Transmission of Human Immunodeficiency Virus Type I: Risk Factors for Seroconversion in Men," Lancet 2 (1989): 403-07; Jean L. Marx, "Circumcision May Protect against the AIDS Virus," Science, 245 (1989): 470-71; R. L. Poland, "The Question of Routine Neonatal Circumcision," NEJM, 322 (1990): 1312-15.

 


Zitierweise: 

  • Gollaher DL. From ritual to science: the medical transformation of circumcision in america. Journal of Social History 1994;28(1):5-36.