"Beschneidung" auf Wikipedia

Wie objektiv ist Wikipedia?

Bis vor kurzem gab es in Wikipedia eine Seite über die männliche Beschneidung, die sehr umfangreich, offen und objektiv über die männliche Beschneidung informiert hat. Diese Seite scheint nun von der sexuellen Randgruppe der Bescheidungsfetischisten unter deren Kontrolle gebracht worden zu sein.

Wenn man den derzeitigen Wikipediaartikel liest, vermeint man, die Natur hätte Ihre Sache schlecht gemacht, und man müsse vom Penis als einzigem menschlichem Organ zur "Gesundheitsvorsorge" einige Teile amputieren um überhaupt gesund leben zu können. Suggeriert werden soll, dass die hocherogene Vorhaut des Penis neuerdings ein Katalysator zum Einfangen ungezählter Krankheiten wäre. Die in Wikipedia beschriebenen "Vorteile" einer Vorhautamputation wurden offenbar direkt aus Werbetexten urologischer Kliniken entnommen. Falls Gegenstudien, die diese widerlegen, überhaupt erwähnt werden, wird versucht, deren Qualität anzuzweifeln.

Interessanterweise findet sich auf der Wikipedia-Artikel zum Thema "Schleimhaut" folgende wissenschaftlich belegte Aussage: 

"Schleimhäute können Immunglobuline (vor allem IgA) absondern und haben so eine wichtige Schutzfunktion gegen eindringende Krankheitserreger." [1]

Die innere Vorhaut ist von einer eben solchen schützenden Schleimhaut überzogen!!! 

Wie ist diese Aussage dieses Wikipedia-Artikels über die immunologische Funktion von Schleimhäuten mit der Vorstellung vereinbar, die Vorhaut diene als Nährboden für viele "ekelhafte" Krankheiten, wie es die Autoren des aktuellen Wikipedia-Artikeln über Zirkumzision suggerieren.

Durch die Beschneidung geht nicht nur der mechanische Schutz der Vorhaut  sondern auch die immunologische Schutzfunktion der Schleimhautoberfläche der inneren Vorhaut irreversibel verloren, die sowohl Immunoglobine [Antikörper] sondern auch antivirale und antibakterielle Enzyme wie etwa Lysomzym produziert.

Vielleicht haben gerade deshalb die USA, deren männliche Bevölkerung im sexuell aktiven Alter überwiegend beschnitten ist, die höchste Rate sämtlicher sexuell übertragbarer Krankheiten einschließlich AIDS unter den Industrienationen. 

Brauchen wir denn heute noch Zehen?

Zugegeben: eine absurde Fragestellung und doch, oder gerade deshalb, mit dem Beschneidungsthema wesensverwandt. Stellen wir uns vor, die Zehen und nicht die Vorhaut wären das Feindbild der Beschneidungsfetischisten: Analog dazu könnte dann deren Argumentationslinie so aussehen:

Man dürfte doch guten Gewissens behaupten, dass das Amputieren der Zehen ganz sicher die Erkrankung an Fußpilz zu einem hohen Prozentsatz verhindern könnte. Außerdem wäre der zehenlose Fuß viel hygienischer. Sammelt sich doch zwischen den Zehen immer allerhand übelriechender Dreck an, und auch der Bereich unter den Zehennägeln ist schwerer zu reinigen als die Vorhaut. Bekanntlich lassen sich die Zehennägel ja nicht einmal zurückschieben. Die Zehen wären schließlich entbehrlich, denn da sich der Affe nun zum Menschen entwickelt habe, wären die rückgebildeten Finger an den Füßen, genannt Zehen, doch nutzlos, oder? Komplikationen wegen gebrochener Zehenknochen oder eingewachsener Zehennägel gehörten der Vergangenheit an, einfach fantastisch! Eingehende Studien zur "Beweissicherung" des medizinischen Nutzens einer Zehenamputation könnten doch durch Spenden der an zu erwartenden Operationen verdienenden Ärzte bezahlt werden. Das positive Studienergebnis wird dabei im Vorhinein garantiert. 

Geschlechtsverkehr mit einem Beschnittenen

Der im wahrsten Sinne des Wortes mittlerweile beschnittene Wikipedia-Artikel will den überrumpelten Lesern weismachen, Geschlechtsverkehr wäre mit einem Beschnittenen wörtlich "viel besser".

Behaupten kann man natürlich vieles, nehmen wir deshalb den Text in Wikipedia etwas genauer unter die Lupe: 

"Beim Geschlechtsverkehr fehlt das Gleiten des Penis in seiner Schafthaut, was den Verkehr für beide Partner lustvoller gestalten kann. Der beschnittene Penis gleitet nicht mehr in seiner Schafthaut hin- und her, so dass ein direkterer Kontakt mit dem Partner mit entsprechend stärkerer Stimulation möglich ist."

Hätte demnach die Natur bei der Konstruktion des Penis Fehler gemacht? Gehört die Haut etwa nicht zum Penis? Hat nicht gerade die Haut (innere Vorhaut, Frenulum=Lustbändchen) die meisten Gefühlsrezeptoren? 

Gerade der Verlust der einmaligen Gleitfunktion, die den Geschlechtsverkehr für beide Partner angenehmer macht, indem sie das freie, reibungs-und schmerzlose Gleiten des Penis in sich selbst ermöglicht, wird als "Vorteil" der Beschneidung dargestellt. Ein wissenschaftlicher Beleg für diese pradoxe These fehlt allerdings. 

Oder hat die Natur mit der Gleitfunktion des Penis etwa doch recht? Der Verbrauch an künstlichen Gleitmitteln soll ja in den USA entsprechend hoch sein.

Einen Beschneidungsfetischisten mag ja die Wikipedia-Darstellung erfreuen, für andere wage ich das zu bezweifeln. Da gibt es genügend Postings im Internet auch von Frauen, die die Gefühllosigkeit (am Organ) ihrer beschnittenen Partner beklagen, Postings von Männern, die schon im Alter von 30 Jahren infolge der Unempfindlichkeit ihrer trockengelegten Eichel nach der Beschneidung größte Schwierigkeiten haben überhaupt einen Orgasmus zu bekommen.

Man kann den Sachverhalt nämlich auch anders sehen: So wie es die Natur vorgesehen hat:

Die Vorhaut stellt ausreichend lose Haut für den erigierten Penis zur Verfügung. Während des Geschlechtsverkehrs fungiert sie als bewegliche Hauthülle für den Penis, reduziert unerwünschte Reibung und den Bedarf an künstlichen Gleitmitteln und ermöglicht darüber, dass sich Eichel und Vorhaut auf natürliche Weise gegenseitig stimulieren. Dabei wird die Vagina durch Massage stimuliert, statt durch Reibung. WARREN und BIGELOW haben einige der physiologischen Funktionen der Vorhaut während der sexuellen Aktivität beschrieben.[2] Wer genügend Reize erlebt, kann dann nicht nur einmal nach langem "Müssen", sondern kann dafür öfter nach jeweils kürzerer Vorarbeit.

Wehrlosen Kindern ihre Entscheidung vorwegnehmen?

Was das Beschneiden von Kindern angeht, scheuen die Autoren gerade noch davor zurück, offen zum Gesetzesbruch (Recht auf einen unversehrten Körper) aufzurufen. Mit Schalmeienklängen kommt man aber durch die Hintertür, wortwörtlich steht zu lesen:

"Die gesundheitlichen Vorteile [???, Anm. d. Red.] der Beschneidung werden größtenteils erst mit Beginn der Geschlechtsreife relevant, so dass ein irreversibler Eingriff im Säuglingsalter von Kritikern als überflüssig betrachtet wird, sofern keine akute medizinische Notwendigkeit vorliegt."

Von welchen gesundheitlichen Vorteilen wird denn hier gesprochen? Dass man einen unsensiblen, verstümmelten Penis bekommen kann? Und was gäbe es kleinerenteils für gesundheitliche Vorteile, die bereits im Kindesalter wirken sollen, außer dass die bloßgelegte kindliche Eichel infolge der Säuglingsbeschneidung den Fäkalien in der Windel ausgesetzt ist bzw, dass diese dann viele Jahre Zeit hat um bis zur Pubertät völlig abzustumpfen? Vielleicht dass man als älteres Kind bereits eine posttraumatische Belastungsstörung davon bekommen kann? 

Beschneidung ohne krankheitsbedingten Grund ist ganz einfach ein Fetisch,  aber alles andere als eine "Gesundheitsmaßnahme", wie es hier suggeriert werden soll. Die Kinderärztevereinigungen aller zivilisierten Staaten haben sich trotz dadurch bedingten Einnahmenverlustes dazu durchringen können, dass das Operationsrisiko etwaige behauptete "Vorteile", die zudem seit jeher höchst umstritten sind, keinesfalls rechtfertigt. Da sollte es auch der Darstellung in Wikipedia gelingen, die Meinung der Beschneidungsfetischisten vom Mittelpunkt weg an den ihnen gebührenden Rand zu schieben. 

Einzelnachweise

[1] Seite „Schleimhaut“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 21. Januar 2011, 00:10 UTC. URL: de.wikipedia.org/w/index.php (Abgerufen: 12. Februar 2011, 01:15 UTC) 

[2] Warren J, Bigelow J. The case against circumcisionBr J Sex Med 1994; Sept/Oct: 6-8.