Ein lachendes Kind mit strahlenden Augen

Ein junger Mann erzählt ausführlich über seine Beschneidung als 11 Jähriger, und die nachhaltigen Folgen dieser Operation– auf sein körperliches Wohlbefinden, seinen psychischen Zustand und sein gesamtes Leben.

Hallo.

Erstmal möchte ich ein ganz, ganz großes Lob an die Betreiber dieser Seite und für die viele Arbeit, die in den Artikeln und gut recherchierten und umfangreichen Antworten im Forum steckt, aussprechen.

Ich selbst lese hier schon seit einigen Jahren dann und wann mit und habe schon oft mit dem Gedanken gespielt, meine Geschichte hier einmal zum Besten zu geben. 

Ich bin mir nicht sicher, was es (mir) bringen soll, und ob es überhaupt irgendjemanden interessiert, oder ob irgendjemand etwas davon hat, und vielleicht ist es nur der Drang, alles mal in einem Umfeld, in dem weniger mit flapsigen und beschwichtigenden Antworten zu rechnen ist, darzustellen und der Wunsch, auf einige Fragen, die mich schon lange beschäftigen, Antworten zu erhalten. 

[…]

Angefangen hat alles – je nach Sicht – vor 27 bzw. 18 Jahren, soll heißen, 1983 wurde ich geboren, 1992 radikal beschnitten.
Ich habe sehr wenig Erinnerungen an meine Kindheit und frühe Jugend und wie ich früher war, einige Dinge erinnere ich jedoch noch, andere kenne ich nur aus Erzählungen, wieder andere sind durch Fotos und Dokumente belegt.

Zu ersterem zählt zum Beispiel der etwas übereifrige Versuch meiner Eltern, meine Vorhaut – auf Anraten meines damaligen Kinderarztes, der dabei aber sicher an eine andere Art der Durchführung dachte – zu dehnen, was in der Badewanne, wohl weil das warme Wasser entspannend und lockernd wirken sollte, geschah und damit endete, daß ich eine kurzfristige Paraphimose davon trug, die nicht ärztlich behandelt werden mußte. Wie sie wieder behoben wurde, weiß ich allerdings wiederum nicht, aber ich erinnere mich an eine fürchterlich schmerzende und tiefviolett angelaufene Eichel und daß ich bestialische Angst hatte und schrie wie am Spieß.

Eine weitere Sache, an die ich mich erinnere, ist, daß meine damalige Klassenlehrerin in der Grundschule, nachdem ich wegen der OP ein paar Tage fehlte, vor der gesamten Klasse recht ausführlich erklärte, warum das so war, und wie ich nach dieser Unterrichtsstunde fortan damit aufgezogen wurde und von einem türkischen Mitschüler sogar belästigt wurde. Er hatte mich damals oft abgefangen, wenn ich alleine war, drängte mich an die Wand, faßte in meinen Schritt und wollte „meine Muschi anfassen“.

Zu zweiterem zählen unter anderem Erzählungen meiner Oma, die immer wieder betont hatte, was für ein „aufgewecktes, lustiges und aktives Kind“ ich doch früher war – und ich bin mir sicher, auch ohne mich selbst daran erinnern zu können, daß ich das vor der OP auch tatsächlich war –, zu drittem zählen dann letztendlich Fotos von mir und Schulzeugnisse.

Auf Fotos, die in der Kindergartenzeit und den ersten Schuljahren aufgenommen worden sind, sieht man mich als nahezu immer lächelndes oder lachendes Kind mit strahlenden Augen und das ständig in Bewegung zu sein scheint. Dasselbe – ausgenommen die Bewegung – auf Klassenfotos der 1. und 2. Klasse, das der 3. habe ich nicht, und auf Fotos nach der OP und Klassenfotos ab der 4. Klasse, dem Jahr, in dem ich operiert worden war, habe ich einen „verditschten“ Blick und sehe allgemein mitgenommen und traurig aus.
Eine ganz ähnliche Sprache sprechen meine Zeugnisse, die in den ersten Schuljahren herausragend waren, und ab da an an sich überwiegend und zunehmend katastrophal.
Eine Beurteilung, die sich seitdem quasi in jedem Zeugnis, also auch in diesen der weiterführenden Schulen, wiederfindet, ist die, daß ich „oft unkonzentriert“ sei.

Den Grund für ebendiese Unkonzentriertheit wußte ich damals schon, traute mich aber nie, ihn irgendjemandem gegenüber zur Sprache zu bringen: Es war schlicht und ergreifend mein durch die OP sehr stark verkürztes Glied, das sich im Sitzen fast komplett nach innen verzog und immer noch verzieht, bzw. von darüberschrumpelnder Schafthaut verdeckt wird, aber immer noch einen kleinen unbedeckten Bereich – den extrem empfindlichen Teil um den Harnröhrenausgang – freiläßt, der unausstehlich an der Wäsche scheuerte und noch immer scheuert (Allein das Wechselbad aus bedeckt-unbedeckt ist schon immer nahezu unerträglich). 
Drastisch verschlimmert hat sich dieser Zustand, als langsam die ersten Haare zu wachsen begannen, und zwar wuchsen und wachsen diese über beinahe den kompletten Schaft bis zum Übergang zur Eichel, und wenn ich mich setzte, rollten sich diese Haare zwischen schrumpelnde Schafthaut und Eichel ein, sodass erstens ein unangenehmer Zug an den Haarwurzeln entstand und zweitens die eingerollten Haare zusätzlich an der Eichel störten.
Abhilfe dafür entdeckte ich dann in meiner späteren Jungend in Form der Intimrasur, die aber penibelst durchgeführt werden wollte, da sich die sonst mit Stoppeln übersäte Schafthaut einrollte, wie sie es immer tat, doch zusätzlich logischerweise die Stoppeln in die Eichel pieksen. 
Auf diese Weise hatte ich dann immerhin einigermaßen Ruhe, doch meine schulische Karriere war zu dem Zeitpunkt schon verloren. Nicht zuletzt wegen der Verweigerung jeglicher Teilnahme am Sport- oder Schwimmunterricht aus zweierlei Gründen; zum einen war da natürlich weiterhin das Scheuern zum zweiten schämte ich mich fürchterlich für mein Aussehen da unten sowie später dann zusätzlich für die Größe.

Die Jahre vergingen irgendwie, ohne, daß ich mir große Gedanken darum machte, und auch störte mich das Scheuern anscheinend nicht mehr, oder ich verdrängte es oder was weiß ich.
Mit 19 kam ich schließlich einem Mädchen näher – das erste Mal, daß ich mich so etwas traute –, nach einiger Zeit schmusten wir häufiger miteinander ohne großartiges Fummeln, und ich hatte immer noch keine Probleme mehr mit meinem Glied. Das sollte letztlich allerdings nur so lange anhalten, bis sie völlig unerwartet den Versuch unternahm, mir in die Hose zu fassen, was mich panisch aufspringen und weglaufen ließ. Der Kontakt flaute mehr und mehr ab, wir verloren uns aus den Augen. Ein oder zwei Jahre später jedoch – von wem das ausging, weiß ich nicht mehr – fingen wir wieder an, miteinander zu telefonieren und trafen uns auch einige Male. Sie sprach von ihren Gefühlen und daß ich ihre große Liebe sei. Auch ich empfand noch immer ernste Gefühle, und so wähnte ich mich sicher genug, ihr von meinem Problem mitzuteilen; der Kontakt brach komplett ab.

Seit dieser Zeit – und das ist mittlerweile immerhin um die sieben Jahre her – beherrscht mich die Thematik geradezu. Die Beschwerden sind wieder voll ins Bewußtsein gerückt, und mein Selbstwert ist in Anbetracht der Annahme, wegen einer „kleinen OP“ abstoßend oder bestenfalls ungenügend zu sein, auf unter Null gefallen. 

Ich wagte in der Zwischenzeit noch einen weiteren Versuch, eine Beziehung anzufangen, allerdings scheiterte dieser kläglich – mit Sicherheit auch wegen meiner Verklemmtheit und damit einhergehend der Vermeidung irgendwelcher Nähe.

Ich fiel in schwere Depressionen und – so glaube ich im Nachhinein – nur Dank eines sehr verständnisvollen Arztes und eines sehr hoch dosierten Antidepressivums bin ich überhaupt noch hier.
Besagter Arzt riet mir schließlich, mich urologisch untersuchen zu lassen, um zu versuchen zu klären, ob mir irgendwie geholfen werden könne, also vereinbarte ich einen Termin bei einem örtlichen Urologen. Nach einem ein paar Sekunden dauernden Blick auf mein Organ meinte er nur, es sei alles in Ordnung und ich könne mich wieder anziehen.
Danach schilderte ich ihm noch meine Probleme und erwähnte, dies auch schon bei oben genanntem Arzt – ein Psychiater, der schließlich erforderlich war, um Antidepressiva verordnet zu bekommen – angesprochen zu haben, was er schlicht mit „Bei dem sind Sie damit auch richtig“ kommentierte.

Wieder vergingen Jahre, in denen ich die Beschwerden einigermaßen gut annehmen konnte, in denen ich mich schließlich in Arbeit und Hobbies vergrub und mich nur selten mit meinem Problem auseinandersetzte. Ich unternahm dennoch dann und wann Versuche, eine Besserung zu erreichen. Zum Beispiel versuchte ich durch sanftes „Abbinden“, mein Glied daran zu hindern, sich zu verziehen, was jedoch von keinem Erfolg und außerdem zeitweise doch recht großen Schmerzen gekrönt war. Ich versuchte, wenigstens die Eichel unempfindlicher zu machen, indem ich mal übermäßig viel masturbierte, mal Monate – fast ein Jahr – enthaltsam war. Den gewünschten Effekt erzielte ich mit keiner Variante, wenngleich die Enthaltsamkeit insgesamt mehr gebracht hat.
So ließ es sich eigentlich einigermaßen unbeschwert leben, doch eines Nachts im August 2008 holte mich meine Vergangenheit grausamer ein, als ich es mir je hätte vorstellen können. Vor dem Einschlafen, als ich gerade die Augen geschlossen hatte, sah ich vor meinen Augen eine mit Stuck verzierte Decke vorüberziehen; mir fiel sofort eine reale Situation dazu ein: Es muß sich um die Decke eines Flures des alten Krankenhauses gehandelt haben, durch den ich im Bett liegend, den Blick nach oben auf die Decke gerichtet, zum OP oder davon weg geschoben wurde.
Es kamen im Laufe der Zeit noch andere Flash-Backs hinzu, etwa das Bild der oben erwähnten angelaufenen Eichel oder das Bild meines Gliedes, nachdem das erste Mal der Verband abgenommen wurde und ich einen Blick erhaschen konnte.

Aus Angst, verrückt zu werden, suchte ich abermals oben erwähnten Arzt auf, der allerdings dieses Mal, als ich das Thema erneut, und auch, daß ich Bedenken habe, nie eine abzukriegen, ansprach, ganz und gar nicht mehr so verständnisvoll war wie noch Jahre zuvor. 
In einem ausufernden halbstündigen Monolog konfrontierte er mich mit Aussagen wie „ich könne ja nicht erwarten, daß sich eine Frau mit sowas zufrieden gibt“, „ich ja [unten herum] nichts zu bieten habe“, „ich höchstens Versuchen könne, indem ich gut kochen lerne oder sehr viel Geld verdiene, das auszugleichen“ etc.

Der Schock, den diese Worte auslösten, kam erst ein wenig später. 
Zu diesem Zeitpunkt machte ich bereits eine ambulante Therapie, um mit der Vergangenheit und den Flash-Backs, die wohl typisch für eine, so die Diagnose, Posttraumatische Belastungsstörung seien, umgehen zu können.

Im Verlauf der Gespräche mit der Therapeutin erzählte ich dieser auch von meinem Zustand unten herum und meinen Beschwerden, und irgendwann fiel mir die Geschichte mit dem ersten Mädel wieder ein und wann und warum der Kontakt abbrach.
Ich war gerade so schön dabei, mich ziemlich zu echauffieren und rechnete, als die Geschichte aus mir rausplatzte, ernsthaft damit, daß sie, weil ich vermutete, sie würde das ebenso ungewöhnlich finden wie ich selbst, irgendwie auf mich eingehen würde, doch stattdessen brachte sie wohl mehr Verständnis für das Mädchen auf und knallte mir ein ziemlich harsches „Tss, Man(n?) wirbt ja auch nicht mit seinen Mängeln!“ an den Kopf.

Seitdem haben die Ohnmachtsgefühle meinem Körper gegenüber abermals zugenommen, meinen Selbstwert würde ich als komplett zerstört bezeichnen, ich habe so gut wie allen Glauben an die Menschen verloren und kann einfach nicht fassen, was so eine „kleine OP“ aus einem Menschen machen, was für Wellen das alles schlagen kann; und ich bin mir sicher, mein Leben wäre komplett anders – und mit großer Wahrscheinlichkeit besser – verlaufen, wäre ich damals intakt geblieben.

Vor wenigen Monaten schließlich, rang ich mich dazu durch, einen weiteren Urologen zu konsultieren, der aber auch nur sagte, „das Ergebnis sei perfekt“ und „ich müsse einfach meinen Körper so akzeptieren, wie er nunmal ist“. 
Zum Ersten kann man auch davon ausgehen, daß ein Operateur ein amputiertes Bein als perfekt bezeichnen würde, wenn er schlicht die technische Umsetzung meint, wobei ich in Anbetracht des Resultats, meines Gliedes, keineswegs von perfekt reden würde.
Zum Zweiten frage ich mich, wie ich einen Körper, der laut fachlich fundierter Meinung auch von anderen nicht akzeptiert werden würde, selbst akzeptieren soll?

Er drückte mir noch eine Informationsbroschüre einer Sexualberatungsstelle in die Hand, die ich aber in Gedanken an die vorher getroffenen Aussagen eher nicht aufsuchen werde.

Vor allem aber frage ich mich zwei Sachen: 

  1. Warum wurde ich überhaupt operiert, wo ich doch keinerlei Probleme hatte? Urinieren ging (1) problemlos und offenbar war die Vorhaut nicht so stark verengt, denn immerhin ließ sie sich ja, mit zugegebenermaßen damals nicht so schönem Resultat, zurückziehen. Und wer weiß, vielleicht hätte sich die leichte – ich gehe einfach mal davon aus, daß sie nur leicht war – Verengung ja von alleine gelegt.
  1. Gab es damals Anfang der ‘90er nicht auch schon alternative, erhaltende Behandlungsmethoden? Und wenn ja, warum wurden die, mal angenommen eine Behandlung war wirklich notwendig, nicht angewendet?

Das Traurige, egal wie die Antworten darauf wären, ist, daß man nichts mehr ändern kann, und so scheint es so, als müsse ich mich jetzt als 27-jähriger Jungmann mit meinem verunstalteten(2) „Mangel“ abfinden, durch den ich „nichts zu bieten“ habe. Und es scheint, als seien diese Gefühle und schlechten Empfindungen noch für mindestens weitere 27 Jahre reserviert.



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1. Seit der OP ist er einfach ziemlich kurz und braucht Unterstützung, damit ich nichts besudel. Im Klartext: Ich muß ihn nach unten drücken und gleichzeitig die Hoden aus der „Schußlinie“ bringen.

2. Verunstaltet deswegen, weil er auf ganzer Länge behaart ist und auf der Unterseite bis fast vorne hin diese runzelige Hodenhaut reicht. Von dem generell nicht natürlichen Erscheinungsbild, den Narben und Löchern der Fäden mal abgesehen. 

    von "Cotopaxi " auf www.phimose-info.de 17.09.2010