Meine Beschneidung im Namen Gottes

Ich wurde mit 5 beschnitten.

Mein Vater, der leider vor einigen Jahren verstarb, zwang mich aus religiöser Überzeugung. Meine Mutter, die anfangs skeptisch war, wurde von ihm, den Ärzten und muslimischen Bekannten überredet.
Keiner von denen wusste wirklich, was Beschneidung bedeutet. Ausser der Arzt, aber der sagte nichts. Nur dass es sehr gut ist, und sehr hygienisch. Da ich seit einer Krankheit im Kindesalter Probleme mit meinem Gehör habe, sollte ich zu einer Untersuchung, in der ich unter Vollnarkose operiert werden musste. Diese Chance namen meine Eltern wahr, um mich beschneiden zu lassen.

Mir hat man nichts gesagt. Aus Angst ich könnte eine Szene machen. Ich bin ins Krankenhaus gefahren und alle waren sehr nett zu mir. Dann bekam ich die Narkose. Das Nächste, was ich weiß, ist, dass ich nackt auf der Bettkante sitze und bitterlich weine. Mein Penis sieht grotesk aus, er ist so geschwollen, dass er fast rund ist. Die Eichel, die ich davor noch nie gesehen habe, ist pink. Ein komischer Ring ist an ihrem Ende und hält die Haut zurück. Es tut furchtbar weh. Mein Vater beteuert immer wieder wie stolz er auf mich ist. Dass ich jetzt ein richtiger Muslim sei. Ich weinte trotzdem.

Die nächsten drei Wochen waren eine Qual. Ich weiß nicht ob die Narben weh taten oder die vertrocknende, freigelegte Eichel. Ich konnte keine Hose tragen. Ich konnte nicht laufen. Ich konnte mich im Bett nicht zudecken. Ich lag stundenlang im Bett auf dem Rücken mit angewinkelten Knien, dass die Decke meine Eichel nicht berührt. Tagelang. Ich weinte häufig. Das erste mal, als ich auf's Klo ging, wusste ich nicht, was passieren würde. Ich hatte Angst es könnte weh tun. Ich hatte Recht. Von nun an hielt ich es zurück, bis es nicht mehr ging. Der Druck war deshalb größer. Es war schlimmer. Aber ich hatte Angst. 

Irgendwann tat es nicht mehr weh. Ich konnte keine engen Hosen tragen. Wie lange weiß ich nicht. Es kommt mir heute wie eine Ewigkeit vor. Aber auch das verging. Irgendwann. 


Eines Tages spielte ich mit meinen Freunden in der Umgebung. Einer sagte er müsse auf's Klo. Ich musste auch. Wir gingen zu einem Busch. Er machte die Hose auf und pinkelte. Ich pinkelte nicht. Ich schämte mich. Zum ersten mal. Die Scham blieb. Bis heute. In der Schule, beim Schwimmunterricht, kämpfte ich mich immer ganz nach vorne, an die Türe, um den Platz an der Ecke zu bekommen. Während die anderen Jungs nackt herumalberten, zog ich mich mit Hilfe eines Handtuchs um und verlies den Raum fluchtartig. In der Sauna zog ich immer eine Badehose an. Ich ging nie in Gemeinschaftsduschen. Niemand durfte wissen, dass ich anders war. Ich wollte immer gerne wie die anderen sein. Einfach mal mit meinen Freunden nackt in den See springen. Sprüche wie: "Der will uns seinen kleinen Schwanz nicht zeigen!" ertrug ich. Ich lachte mit. Niemand durfe den wahren Grund wissen. Heute weiß ich, dass ich nicht ausgelacht werden würde, aber das "nicht nackt sein dürfen" brannte sich so in mein Unterbewusstsein, dass ich bis heute nicht die Kraft finde, diese Angewohnheit zu überwinden. 

Irgendwann begann ich über all das nachzudenken. Wieso bin ich beschnitten? Weil ich ein Muslim bin. 
Wieso bin ich ein Muslim? Mir fiel keine Antwort ein. Also wieso bin ich beschnitten? 

Ich sprach nie mit Freunden oder Freundinnen über meine Beschneidung. Und sie fragten auch wenig.
"Mein Vater ist halt Muslim" reichte immer als Antwort. Zum Glück.

Erst jetzt beginne ich mich mit Beschneidung auseinanderzusetzen. Erst jetzt, mit 23, lese ich über die sexuellen Folgen. Lese ich über den Sensitivitätsverlust. Ich habe nie einen unbeschnittenen Penis erigiert gesehen und war sehr überrascht als ich las, dass die Eichel weich, feucht und empfindlich ist. Ich lese über Verhornung, über Stimulanzzonen wie innere Vorhaut, Dorsalnerv oder Vorhautbändchen. Lese, dass beschnittene Männer nur die Schnittnarbe zur Stimulierung haben, da dort noch Reste der so sensiblen Vorhaut kleben. Ich denke darüber nach, wie Sex sich anfühlen könnte. Wenn alles noch da wäre. Aber das ist es nicht.

Ja, es stimmt. Ich kann länger. Noch kann ich nur länger. Aber ab wann kann ich gar nicht mehr? Ich bin 23 Jahre alt. Das heißt auch, dass ich mit ca. 23-jährigen Frauen schlafe. Aber ich muss kämpfen. Unter 20 min geht nichts. Manchmal habe ich nach einer Stunde einfach keine Lust mehr. Sex ist nicht schön, wenn man nur an seinen Orgasmus denken kann.

Meine Beschneidung ist das schlimmste, was man mir je angetan hat. Sie hat mein gesamtes Leben beeinflusst. Hat mich immer mit Scham erfüllt. Meiner Mutter tut es sehr leid. Sie sagt sie würde es nie wieder tun. Das hilft seelisch aber nicht körperlich. 

Meine Vorhaut ist weg und kommt nicht wieder.