Paraphimose – Mutig sein und zum Arzt gehen!

Hallo Jungs!

Neulich habt Ihr hier einiges über die Phimose (Vorhautverengung) gelesen. Was aber ist denn eine Paraphimose?

Die Vorsilbe „Para“ bedeutet so viel wie „neben, daneben, darüber hinaus“.

Und tatsächlich ist die Paraphimose, anders als die Phimose, ein krankhafter, manchmal sogar gefährlicher Zustand, bei dem die Vorhaut hinter der Eichel festsitzt und nicht mehr nach vorne geschoben werden kann. Das tut weh und es führt dazu, dass Eichel und Vorhaut anschwellen (Blutstau, Ödem). Die Eichel wird nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt, so dass die Gefahr besteht, dass die Eichel abstirbt. Deshalb ist es wichtig, bei einer Paraphimose sehr schnell ärztliche Hilfe zu suchen! Das ist peinlich, ich weiß, aber in diesem Fall geht es nicht anders!

Wie kann es zu einer Paraphimose kommen?

Zu einer Paraphimose kann es bei Jungs (Kindern, Jugendlichen) eigentlich nur dann kommen, wenn die Vorhaut zwar bereits ein Stück zurückstreifbar ist, sich aber noch nicht ganz hinter die dickste Stelle der Eichel ziehen lässt, wenn also eine relative Phimose vorliegt. Das passiert mitunter bei der Selbstbefriedigung oder beim Geschlechtsverkehr. Die Vorhaut wird, sozusagen im Eifer des Gefechts mit Kraft hinter die Eichel gezwungen, zieht sich dahinter wie ein Gummiring zusammen und geht nicht wieder nach vorne.

Manchmal kann es auch bei (meist kleinen) Jungs mit absoluter Phimose zu einer Paraphimose kommen, wenn jemand versucht, die Vorhaut mit Gewalt nach hinten zu ziehen, z. B. weil man meint, den Jungen dort unbedingt waschen zu müssen. Früher war sogar unter Ärzten die Ansicht verbreitet, eine Phimose sei am einfachsten durch ein einmaliges, kräftiges Zurückreißen der engen, verklebten Vorhaut zu beheben. Dass dies höllisch wehgetan und oft zu Verletzungen (und eben zur Paraphimose) geführt hat, könnt Ihr Euch sicher denken.

Andere Gründe für eine Paraphimose sind vor allem bei erwachsenen Männern eine Narbenphimose oder unsachgemäße medizinische oder pflegerische Behandlungen am Penis, z. B. wenn die Vorhaut nach dem Waschen nicht wieder nach vorne geschoben wird.

Wie könnt Ihr eine Paraphimose vermeiden?

Wenn Eure Vorhaut bereits leicht und zwanglos hinter die Eichel zurückstreifbar ist, braucht Ihr vor Paraphimose keine Angst zu haben.

Lässt sich Eure Vorhaut noch nicht ganz zurückstreifen, dann solltet Ihr sehr achtsam damit umgehen. Zieht Eure Vorhaut immer nur soweit zurück, wie es ohne den kleinsten Schmerz geht. Auch wenn Ihr eine Phimose mit Salbe behandelt und dabei die Vorhaut dehnt, dürft Ihr die Vorhaut nie weiter zurückziehen, wie es ganz ohne Zwang und Schmerz geht. Beim Dehnen geht es nicht darum, die Verklebung „loszureißen“ oder die Vorhautenge so schnell wie möglich aufzudehnen, sondern darum, die Haut ganz allmählich weich und elastisch zu machen, ihr Feuchthaltevermögen zu steigern und die Zellneubildung anzuregen. Dadurch wird sie auf ganz natürlichem Wege weiter und löst sich allmählich von der Eichel.

Seid vorsichtig beim Masturbieren. Wenn Ihr dabei zwei Hände benutzt, gerät die Vorhaut gar nicht erst unter Spannung: Hand 1 schiebt die Haut am Penisschaft etwas nach vorne und hält sie fest, Hand 2 macht das, was sie bei diesem Spiel immer macht. Natürlich hat hier jeder Junge seine eigene Methode, aber wenn Ihr ganz sicher gehen wollt, könnt Ihr die Vorhaut beim Spiel mit Euch selbst auch einfach ganz vorne lassen. Ihr zieht sie also nicht vor und zurück, sondern bewegt sie nur auf der Eichel. Statt heftiger Bewegungen versucht es mit sanften, zarten Stimulationen …

Beim Geschlechtsverkehr könnt Ihr die Vorhaut mittels Kondom fixieren und ggf. Gleitmittel benutzen. Das Kondom muss dann aber passen, also wirklich straff sitzen.

Merkt Euch einfach: Während der Zeit, in der sich Eure Vorhaut noch nicht ganz zurückstreifen lässt, müsst Ihr besonders vorsichtig mit ihr umgehen.

Was könnt Ihr bei Paraphimose selber tun?

Ihr könnt versuchen, Euch (oder z. B. einem Kumpel oder Freund) selbst zu helfen. Dafür habt Ihr aber nur wenig Zeit. Wenn es nicht geht – bitte nicht zögern, zum Arzt zu gehen oder einen Arzt zu rufen!

Bei einer Paraphimose versucht man nicht, die verklemmte Vorhaut nach vorne zu bringen, sondern man versucht vielmehr, die Eichel nach hinten in die Vorhaut hinein zu schieben. Dazu muss die Eichel zunächst vorsichtig blutleer gepresst werden, damit sie kleiner wird. Außerdem sollte sie gekühlt werden, kaltes Tuch, kaltes Wasser, aber kein Eis!

Legt Euch auf den Rücken! Dann wird der Penis hinter Eichel und Vorhaut zwischen Zeige- und Mittelfinger beider Hände genommen und festgehalten (wie zwei Scheren, die von rechts und links kommen). Ein oder beide Daumen versuchen dann, die Eichel nach hinten in die Vorhaut zu schieben. Hier eine Zeichnung:

Falls Ihr nicht allein seid kann auch ein Kumpel oder Eure Freundin diesen Griff versuchen.

Gelingt das nicht, muss umgehend ein Arzt aufgesucht werden!

Was macht der Arzt?

Der Arzt wird versuchen, Eichel und Vorhaut zu dehydrieren, d. h. die sich ansammelnde Flüssigkeit heraus zu drücken. Dies geschieht ggf. unter lokaler Betäubung, bei kleinen Jungen u. U. unter Vollnarkose.

In seltenen Fällen gelingt es auch dem Arzt nicht, die Vorhaut wieder nach vorne zu bringen. Dann setzt er einen Entlastungsschnitt in den Schnürring (Längsschnitt in die Vorhaut, dorsaler Schnitt). Der enge Hautring wird also aufgeschnitten, wodurch das Problem sofort gelöst ist.

Übrigens: Wenn der Arzt eine Ärztin ist – keine Sorge! Sie sieht sowas öfter. Außerdem kann eine Ärztin sogar ein Vorteil für Euch sein, denn Frauen haben bekanntlich ja keinen Penis und sind deshalb vielleicht ein bisschen vorsichtiger und liebevoller mir diesem Teil. Sie können ja nicht wissen, wie sich das anfühlt, was sie mit Euch machen. Also: Seht es positiv!

Danach geht es darum, eine Wiederholung zu vermeiden, indem man die bestehende relative Phimose beseitigt. Oft wird hier zu einer Beschneidung geraten. Aber auch für die Paraphimose gilt:

Beschneidung ist heute nicht mehr die „Standard-OP“ bei Paraphimose!

Auch hier kann man eine Salbentherapie, verbunden mit behutsamen Dehnübungen versuchen oder sich für eine vorhauterhaltende OP entscheiden. Dazu muss man allerdings sagen, dass der „Notfallschnitt“ möglicherweise eine deutliche Narbe hinterlässt. Die sieht zwar nicht unbedingt schön aus, führt aber auch nicht zu einer erneuten Phimose, wie dies manchmal behauptet wird, weil eine solche Narbe niemals um den Penis herumreicht, sondern in Längsrichtung des Gliedes verläuft. Es bleibt also immer noch genug gesundes Gewebe, um eine Ausdehnung etwa bei der Erektion des Penis zu ermöglichen.

 Das war heute ein ziemlich heftiges Thema. Dennoch müsst Ihr keine Angst haben. Merkt Euch einfach:

Je weiter Eure Vorhaut zurückstreifbar ist, je näher Ihr also dem hinteren Rand der Eichel kommt, umso vorsichtiger müsst Ihr sein. Viel Baden, cremen und behutsames Bewegen der Vorhaut helfen, diese Übergangsphase schnell zu überwinden. Benutzt in dieser Zeit Gleitmittel, Lotion oder Speichel beim Masturbieren.

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Text: Mario Lichtenheldt
Zeichnungen: Lukas Ryholec