Schützen Sie Ihren unbeschnittenen Sohn - Ein medizinischer Ratgeber für Eltern

von Kinderarzt Prof. Dr. Paul M. FLEISS, Los Angeles
 in: Mothering Magazine 2000, Ausgabe 103, November/ Dezember 

Paul M. FLEISS, MD, MPH, ist klinischer Assistenz-Professor für Kinderheilkunde am "University of Southern California Medical Center". Er ordiniert weiters in seiner privaten kinderärztlichen Praxis, ebenfalls in Los Angeles, Kalifornien. Dr. Paul M. FLEISS ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Artikel, die in führenden nationalen und internationalen medizinischen Fachzeitschriften veröffentlicht wurden. 

Übersetzung des englischsprachigen Originals  "PROTECT YOUR UNCIRCUMCISED SON - EXPERT MEDICAL ADVICE FOR PARENTS"

In den Originaltext eingefügte Kommentare wurden wie diese Zeilen kursiv geschrieben.

 

Inhalt:

Die Situation in den USA

Mehr und mehr US-amerikanische Eltern schützen heute ihre Söhne vor einer Routine-Beschneidung unmittelbar nach der Geburt. Doch im Laufe des Aufwachsens ihrer intakten Söhne geraten diese Eltern oft an Ärzte/Ärztinnen, die unbeirrt an vorgestrigen Ansichten und Krankenhausroutinen festhalten wollen. 

Ich erhalte oft Anrufe verzweifelter Eltern, die berichten, dass ihr Arzt darauf besteht, dass ihr kleiner Junge unbedingt beschnitten werden müsse, weil angeblich etwas nicht stimme. Sobald diese eingeschüchterten Eltern dann ihren Sohn in meine Praxis bringen, stelle ich fast immer fest, dass mit dem Penis des Kindes alles in Ordnung ist. Gelegentlich findet sich eine leichte Infektion, die aber auch wieder schnell mit einer antibiotischen Salbe beseitigt werden kann. In all den Jahren meiner Praxis hatte ich niemals einen Patienten, der aus medizinischen Gründen beschnitten werden musste. 

Wenn ein Arzt auf Sie eindringt oder Ihnen dazu rät Ihren Sohn beschneiden zu lassen, dann gewöhnlich weil sie oder er einfach mit dem intakten Penis nicht vertraut ist. Er/ sie ist sich einfach nicht der wahren Funktionen der Vorhaut bewusst, ist falsch informiert über die wahren Indikationen für eine etwaige chirurgische Amputation der Vorhaut, und ihr/ ihm bereitet die Bewegung weg von der [in den USA um 1875 zur Masturbationsverhinderung eingeführten] Routine-Beschneidung schlichtweg Unbehagen. 

Die an vorhautlose Penisse gewöhnten US-Ärzte können sich sogar durch den Anblick eines intakten Jungen psychologisch herausgefordert fühlen, da sie keinerlei Ahnung über diesen wesentlichen Teil des männlichen Genitals haben [welcher in der medizinischen Literatur der USA gar nicht existiert!]. Sie vermeinen dadurch mitunter Probleme zu sehen, wo alles in bester Ordung ist. So versuchen solche Vertreter ihrer Zunft vielleicht sogar Sie händeringend davon zu überzeugen, dass der natürliche Penis schwierig zu pflegen sei. Sie zitieren vielleicht "Studien" und "Statistiken", die eine Beschneidung ihres gesunden Sohnes rechtfertigen sollen. 

Wahrscheinlich ist das einzige Problem, dem Sie mit der Vorhaut Ihres intakten Sohns (in den USA) begegnen werden, dass so ein/e lückenhaft ausgebildete/r Mediziner/in glaubt, ein "Problem" entdeckt zu haben. Doch die Vorhaut ist und bleibt ein vollkommen natürlicher und bedeutender Teil des menschlichen Körpers, sie hat eine biologische Funktion wie alle Körperteile, auch wenn manche Ärzte davon keine Ahnung haben. Es gibt absolut keinen Grund sich um den intakten Penis Ihres Sohnes Sorgen zu machen.   

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„Die Vorhaut ihres Sohnes muss abgeschnitten werden, um die Hygiene zu erleichtern.“ Situation in den USA

Meine Erfahrung als Kinderarzt hat mich davon überzeugt, dass die Beschneidung den Penis in Wirklichkeit schmutziger macht, eine Tatsache, die von einer aktuellen Studie, veröffentlicht im British Journal of Urology, bestätigt wurde.(1)  Die heikle erste Woche nach der Beschneidung hat das männliche Baby eine riesige offene Wunde, die beinahe ständig mit Urin und Kot in Berührung kommt! Wohl kaum ein hygienischer Vorteil. Auch darüber hinaus ist der beschnittene Penis das gesamte Leben lang ungeschützt Schmutz und Schadstoffen aller Art schutzlos ausgeliefert. Die Falten und Runzeln, die sich häufig entlang der Beschneidungsnarbe bilden, beherbergen oft Schmutz und Keime. 

Dank seiner Vorhaut ist der intakte Penis hingegen vor Schmutz und Schadstoffen sehr gut geschützt. Während diese wichtige Schutzfunktion bereits im Windelalter besonders nützlich ist, schützt die Vorhaut die empfindliche Eichel mit der sensiblen Harnröhren-Öffnung sogar ein Leben lang. In jedem Alter hält die Vorhaut die Eichel geschützt, weich und sauber. 

Die gesamte Kindheit hindurch besteht kein Grund dazu, unterhalb der Vorhaut Hygiene zu betreiben. Mütter wurden früher dazu ermahnt die Vorhaut jeden Tag zurückzuziehen und darunter zu waschen. Das war wohl ein äußerst schlechter Rat. Erst wenn die Vorhaut voll zurückziehbar ist, gewöhnlich am Ende der Pubertät, kann ihr Sohn seine Vorhaut zurückziehen und beim Duschen die Eichel sanft mit warmen Wasser abspülen. 

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„Die Vorhaut ihres Sohnes ist zu eng. Sie lässt sich nicht zurückziehen. Er muss beschnitten werden!“

Die Enge der Vorhaut ist ein Sicherheitsmechanismus, der die Eichel wie die Harnröhre vor direktem Kontakt mit Schadstoffen und Keimen schützt. Die enge Vorhaut erhält die Eichel des Jungen warm, sauber und feucht, und wenn er erwachsen ist, wird sie ihm auch noch Freude bereiten. Solange ihr Sohn Wasser lassen kann, ist er vollkommen gesund und normal entwickelt. Es gibt kein Alter, ab welchem die Vorhaut eines Kindes unbedingt zurückschiebbar sein muss. Gestatten Sie niemals einem Arzt oder jemand anderem den Versuch, die Vorhaut Ihres Kindes zurückzuziehen. Die optimale Hygiene des Penis erfordert vielmehr, dass die Vorhaut von Säuglingen und Kindern von den Erwachsenen in Ruhe gelassen wird. Vorzeitiges Zurückziehen reißt den Penis auf und bereitet dem Kind extreme Schmerzen! Es gibt keine medizinische Rechtfertigung für das Zurückziehen: Der Schmerz des Kindes beweist das eindrucksvoll. 

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„Die Vorhaut ihres Sohnes wird immer enger. Sie lässt sich nicht mehr zurückschieben. Irgendwas stimmt nicht. Er wird beschnitten werden müssen."

Manchmal kann es sein, dass in der Kindheit eine vormals zurückschiebbare Vorhaut sich nicht mehr ohne Widerstand zurückschieben lässt, aus Gründen, die mit der bevorstehenden Pubertät nichts zu tun haben.  In diesen Fällen kann die Vorhautöffnung manchmal spröde aussehen und beim Wasserlassen brennen. Doch auch ein solcher Befund ist genauso wenig eine Indikation für eine Operation wie spröde Lippen: Die Vorhaut macht nur ihre Arbeit. Wäre nämlich die Vorhaut nicht vorhanden, wären stattdessen die Eichel und die Harnröhrenöffung  spröde. Das Sprödewerden der Haut wird oft durch übermäßig chlorierte Schwimmbäder, scharfe Seifen, Schaumbäder oder eine zu zuckerreiche Ernährung verursacht. Dies alles sind Faktoren, die alle das natürliche Gleichgewicht der Hautbakterien zerstören und daher vermieden werden sollten, sobald Sprödigkeit auftritt. Die Vorhaut lässt sich solange nicht zurückziehen, bis ein natürliches und gesundes bakterielles Gleichgewicht wiederhergestellt ist.  

Sie können die Heilung unterstützten, indem Sie ein wenig Hautschutzcreme oder Salbe auf die Öffnung der Vorhaut auftragen. Acidophilus-Kulturen (die in Reformhäusern erworben werden können) können eingenommen und auch mehrmals täglich auf der Vorhaut angewendet werden um die Heilung zu unterstützen. 

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„Ihr Sohn hat Phimose und muss beschnitten werden um dieses Problem zu beseitigen.“

Phimose wird oft als Diagnose gebraucht, wenn ein Arzt, nicht versteht, dass die Vorhaut eines Kindes lang, eng und mit der Eichel verklebt ist und daher schwer zurückschiebbar ist. Manche Ärzte verschreiben Steroidsalben für Phimose, aber bei Kindern ist das unnötig, da  die Vorhaut bei kleinen Jungen nicht zurückschiebbar sein muss. Die Hormone der Pubertät werden das  in  angemessener Zeit von selbst tun, was mit der Steroidsalbe erreicht werden soll. Bei Erwachsen deren Vorhaut noch immer mit der Eichel verklebt ist, oder einer solch engen Öffnung, dass die Eichel nicht einfach hindurch passt, sind Steroidsalben eine konservative Therapie. Eben dann, wenn der Erwachsene sich eine Vorhaut wünscht, die sich vollständig zurückziehen lässt. Viele Männer wollen das aber nicht, und bevorzugen eine Vorhaut die schützend über der Eichel bleibt. Das ist eine persönliche Entscheidung, die nur jeder Mann für sich selbst treffen kann.  

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Die Vorhaut ihres Sohnes ist mit der Eichel 'verwachsen'. Sie muss amputiert werden. 

Durch die Verklebung der Vorhaut mit der Eichel schützt die Natur die noch unentwickelte Eichel vor vorzeigter Entblößung. Die Ablösung der angeborenen Verklebungen ist ein normaler physiologischer Prozess, der bis zu 2 Jahrzehnte andauern kann, ehe er vollendet ist. Am Ende der Pubertät, wird sich die Vorhaut in den meisten Fällen von der Eichel gelöst haben, da Hormone, die während der Pubertät in rauen Mengen produziert werden, diesen Prozess beschleunigen. Es gibt kein bestimmtes Alter, ab welchem sich die Vorhaut eines Kindes vollständig von der Eichel gelöst haben muss. 

Einige fehlgeleitete Ärzte empfehlen vielleicht, dass die "Verklebungen" zwischen der Vorhaut und der Eichel aufgebrochen werden müssten, damit Ihr Sohn seine Vorhaut zurückstreifen könne. Diese Prozedur heißt Synechotomie. Um sie auszuführen, drückt der Arzt eine stumpfe Metallsonde unter die Vorhaut und reißt sie gewaltsam von der Eichel. Diese "Behandlung" ist ebenso schmerzhaft und traumatisch, als ob man eine Sonde unter seinen Fingernagel gesteckt bekäme um diesen danach auszureißen. Zusätzlich werden dabei noch Blutungen verursacht, welche immer wieder zu Infektionen und Vernarbungen der Innenseite der Eichel wie der Vorhaut führen. Die Wunden die bei der erzwungen Ablösung entstehen, können in der Folge erst recht zusammenwachsen, was nun zu tatsächlichen, regelrechten Verwachsungen führt. Es gibt absolut keine medizinische Rechtfertigung für diese Prozedur, da sich die Vorhaut in der Kindheit gar nicht von der Eichel lösen soll. Wenn irgendein Arzt Ihnen zu solch einer Prozedur für ihren Sohn raten sollte, weigern Sie sich entschlossen mit den Worten: "Lassen Sie meinen Sohn in Ruhe!" 

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Die Vorhaut Ihres Sohnes ist rot, entzündet, juckt und schmerzt. Sie hat eine Entzündung und muss abgeschnitten werden.“

Manchmal ist die Spitze der Vorhaut gerötet. Während der Windeljahre handelt es sich dabei gewöhnlich um Ammoniacalis dermatitis, umgangssprachlich auch Windelausschlag genannt. Wenn die normalen Hautbakterien und die Fäkalien mit Urin reagieren, entsteht Ammoniak, der die Haut ätzt und Entzündungen und Schmerzen verursacht. Wäre die Vorhaut bereits amputiert, fände die Entzündung auf der Eichel selbst statt und würde den Harnleiter eindringen. Errötet die Vorhaut, so verrichtet sie nur ihre Arbeit, nämlich Eichel und Harnröhrenöffnung zu schützen.   

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„Die Vorhaut Ihres Sohnes hat sich in seinem Reisverschluss eingeklemmt, wir müssen sie abschneiden.“

Es gibt seltene Fälle, in denen ein Junge aus Versehen einen Teil der Haut seines Penis im Reißverschluss seiner Hose einklemmt. Das ist schmerzhaft und kann eine starke Blutung verursachen. Die Vorhaut zu amputieren, wäre in dieser Situation völlig unlogisch. Indem man den Reisverschluss mit einer Schere einfach aufschneidet, kann der Reisverschluss einfach geöffnet werden um das Penisgewebe zu befreien. Irgendwelche Verletzungen in der Haut können dann mit ein paar Stichen oder chirurgischem Band verschlossen werden, je nach Situation. Die passende Vorgangsweise in dieser Situation ist es, die Verletzung zu minimieren und reparieren, aber nicht  zu verschlimmern, indem man die Vorhaut abschneidet, und eine größere und viel schmerzhafter Operationswunde verursacht. 

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„Ihr Sohn zieht ständig an seiner Vorhaut. Er sollte beschnitten werden.“

Ich kann Ihnen versichern, ob beschnitten oder nicht, alle kleine Jungen berühren ihren und ziehen an ihrem Penis. Das ist nicht nur vollkommen normal, sondern wichtig. Intakte Jungen ziehen an ihrer Vorhaut, weil diese dazu da ist um gezogen zu werden. Beschnitte Jungen ziehen an ihrer Eichel, weil das alles ist, was man ihnen zum Daran-ziehen gelassen hat. Kleine Jungen korrigieren bisweilen die Lage ihres Penis in ihrer Unterhose. Ja, sie werden manchmal auch das Innere der Vorhaut mit ihren Fingern untersuchen - ein Zeichen vollkommen normaler Neugierde und keineswegs Grund zur Sorge. Es ist wichtig, dass Eltern eine aufgeklärte und liebevolle Gelassenheit gegenüber solchen Belangen entwickeln, ansonsten laufen sie Gefahr, ihren Kindern ungesunde Einstellungen zu vermitteln. 

Manchmal wird an ein Junge an seiner Vorhaut ziehen, weil sie juckt. Alle Körperstellen jucken gelegentlich. Auch ein beschnittener Junge muss seinen Penis nicht selten kratzen. So wenig Sie sich jedes Mal sorgen, wenn ihr Kind an seinem Knie kratzt, so wenig müssen Sie sich sorgen, wenn er an seinem Penis kratzt. Sollte der Juckreiz von trockener Haut herrühren, dann sorgen Sie dafür, dass Ihr Sohn keine Seife an seinem Penis gebraucht. Behandeln Sie die Vorhaut einfach wie Sie jeden anderen Körperteil behandeln würden. 

Wenn Ihre wirkliche Angst die vor Masturbation sein sollte, dann erinnern Sie sich bitte gelassen der simplen natürlichen Tatsache, dass alle Kinder ihren Körper erforschen, dazu zählen auch ihre Genitalien. Die Genitalien zu berühren verschafft Kindern angenehme Gefühle und entspannt sie. Klassische Anatomiestudien beweisen überdies, dass die Vorhaut den empfindlichsten Teil des Penis Ihres Sohnes verkörpert. Sie haben alles Recht dazu, sich selbst dazu zu gratulieren, dass Sie Ihr Kind vor einer chirurgischen Amputation bewahrt haben, welche ihrem Sohn normale sexuelle Empfindungen sein Leben lang verwehrt hätte! 

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Die Vorhaut ihres Sohnes ist zu lang. Sie sollte abgeschnitten werden.“ 

Es gibt gewaltige Unterschiede der Länge der Vorhaut. Bei machen Jungen macht die Vorhaut mehr als die Hälfte der Länge des Penis aus. Bei anderen reicht sie kaum über das Ende der Eichel. Alle diese Variationen sind normal. Die Vorhaut ist keinesfalls "nur Extrahaut" oder "überreichlich." Sie ist aus gutem Grund da. 

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Da Ihr Sohn schon wegen einer anderen Operation in Narkose liegt, machen wir einfach weiter und beschneiden ihn gleich mit.“

Den meisten Eltern wird nie erzählt, dass ihr Sohn in großer Gefahr ist beschnitten zu werden, beispielsweise während einer Mandelentfernung, einer Operation wegen Leistenbruchs oder Hodenhochstands. Von derartigem ahnen arglose Eltern üblicherweise nichts.  Sollte Ihr Kind aus irgendeinem Grund ins Krankenhaus müssen, so stellen Sie gegenüber dem Arzt, der Ärztin, dem Chirurgen, der Schwester unmissverständlich klar, dass Ihr Kind unter keinen Umständen beschnitten werden darf. Schreiben Sie deutlich "Keine Zirkumzision" auf das Einwilligungsformular. Sollte Ihr Kind dennoch gegen Ihren Willen beschnitten werden, dann denken Sie bitte daran, dass Sie rechtliche Regressansprüche haben. 

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„Ihr Sohn leidet unter einer Harntrakt-Infektion und muss beschnitten werden, damit das nicht erneut passiert.“ 

Die Ansicht, dass die Vorhaut des Penis die Wahrscheinlichkeit für eine Harnwegsinfektion minimal erhöhe, ist strittig, weil unbewiesen. Die großen europäischen Ärztevereinigungen lehnen derartige Theorien ab. Die medizinische Forschung hat nachgewiesen, dass Harntrakt-Infektionen am häufigsten von inneren kongenitalen Missbildungen des Harntrakts begünstigt werden können. Zusammenhänge mit der Vorhaut konnten dabei keine entdeckt werden. Da Harntrakt-Infektionen gerade bei Knaben ohnehin extrem selten auftreten, erscheint es als besonders absurd, krampfhaft nach Begründungen dafür zu suchen, dass eine Vorhautamputation diese eventuell noch etwas seltener auftreten lassen würde. Bekanntlich kann dieses Leiden rasch, unblutig und gewebeerhaltend (=konservativ) mit Antibiotika behandelt werden. 

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Ihr Sohn hat Zysten unter seiner Vorhaut, er muss beschnitten werden.“ 

Während des Zeitraums, in dem sich die Vorhaut im langsamen Ablösungsprozess von der Eichel befindet, können abgestoßene Hautzellen (Smegma) sich in kleinen Ansammlungen von weißen "Perlen" sammeln. Das sind KEINE Zysten. Manche Ärzte halten Smegma unter der Vorhaut fälschlicherweise für eine Infektion, obwohl dieses weiß ist und nicht rot, sich kalt anfühlt und schmerzfrei ist. Während die Vorhaut mit ihrer Ablösung fortfährt, wird auch der übrige Körper seine Arbeit erledigen, und diese Perlen werden ganz von alleine wieder aus der Vorhaut verschwinden. Diese angesammelten Zellhaufen sind alles andere als ein Grund zur Sorge. Sie sind vielmehr ein Anzeichen dafür, dass der natürliche Ablösungsprozess gerade stattfindet. 

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"Ihr Sohn spritzt beim Urinieren. Die Beschneidung wird das korrigieren."

Bei so gut wie jedem intakten Jungen fließt der Urinstrahl durch die Vorhautöffnung in einem sauberen Strahl. Während des Peniswachstums bzw. dessen Entwicklung durchlaufen mache Jungen eine Phase, in der der Harnstrahl streut. Zweifelsohne haben viele dieser Jungen große Freude an dieser Phase, während Mütter verständlicherweise das weniger amüsant finden. Wenn Ihr Junge in eine Sprühphase gekommen ist, fordern Sie ihn einfach auf, seine Vorhaut weit genug zurückzuziehen um die Harnröhrenöffnung beim Urinieren freizulegen. Im Übrigen wird er schnell aus dieser Phase herauswachsen. 

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"Die Vorhaut ihres Sohnes balloniert beim Urinieren. Er muss beschnitten werden, oder ansonsten wird er einen Nierenschaden bekommen." 

Das Ballonieren der Vorhaut während des Wasserlassens ist ein normaler und vorrübergehender Zustand. Es verursacht keine Schmerzen und bereitet kleinen Jungen gewöhnlich große Freude. Ballonierung ist nur eine Überraschung für solche Eltern, die keine Erfahrung mit dieser Phase der Penisentwicklung haben. Ballonieren verursacht mit Sicherheit auch keinen Nierenschaden, keinerlei Zusammenhänge damit konnten nachgewiesen werden. Sobald sich die Vorhaut von der Eichel löst und die Öffnung der Vorhaut an Durchmesser zunimmt, verschwindet auch das Ballonieren wieder. Es muss nicht behandelt werden. 

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"Ihr Sohn hat Paraphimose und muss beschnitten werden, damit das nicht wieder passiert." 

Paraphimose ist eine seltene Fehlplatzierung der Vorhaut, die die Eichel bis zu einem gewissen Grade einschnürt. Sie kann auftreten, wenn die Vorhaut vorzeitig zurückgeschoben wird und dann hinter der Eichel stecken bleibt. Diese Fehllage lässt sich fast immer mit einem festen, aber vorsichtigen Druck mit dem Daumen auf die Eichel korrigieren, so als wollte man einen Korken in eine Flasche drücken. Um die aufgetretene Schwellung zu lindern, kann eine Hyaluronidase-Injektion wirkungsvoll sein. Britische Ärzte haben bereits gute Ergebnis erzielt, indem sie den betroffenen Penis in granulierten Zucker einpacken. Auch Eispackungen sind sehr effektiv. 

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"Ihr Sohn hat BXO und muss deshalb beschnitten werden" 

Manche Ärzte vermengen Phimose mit einer extrem seltenen Hautkrankheit, welche Balanitis Xerotica Obliterans (BXO) genannt wird, aber auch als Lichen Sclerosus et Atrophicus (LSA) bezeichnet wird. BXO kann überall auf der Haut auftreten, aber wenn diese Krankheit die Vorhaut befällt, kann sie die Vorhautöffnung hart, weiß und sklerotisch (narbig) werden lassen, und damit das Zurückschieben beinahe unmöglich machen. BXO ist für gewöhnlich schmerzfrei, unbehandelt kann BXO allerdings langsam voranschreiten. Ganz im Gegenteil dazu verschwindet BXO manchmal aber auch ganz von selbst. Für einen erfahrenen Hautarzt ist BXO unverkennbar, dennoch muss eine solche Diagnose erst mittels einer Biopsie bestätigt werden. Die gute Nachricht ist, dass BXO fast immer erfolgreich mit Steroidsalben, Kohlendioxid-Laserbehandlung oder sogar auch mit Antibiotika behandelt werden kann. Eine Beschneidung sollte nur dann in Betracht gezogen werden, wenn jede andere Behandlung versagt hat. So, wie beim Auftreten von BXO an den Schamlippen von Frauen oder an der Eichel von Jungen, diese Körperteile nicht amputiert werden, ist es nur folgerichtig, dass man daher auch die Vorhaut intakter Jungen wegen BXO nicht vorschnell amputieren sollte.   

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"Ihr Sohn muss beschnitten werden, da er ansonsten als Erwachsener keinen Oralsex haben kann."

Ich fürchte, dass nicht-kooperativen Eltern tatsächlich solche unangebrachten Märchen von Beschneidungsärzten erzählt werden. Dies zeugt nur von ärztlicher Ahnungslosigkeit, was das Wissen über die hohe Reizbarkeit des intakten Penis betrifft. Klassische Anatomiestudien haben bewiesen, dass die Vorhaut der am dichtesten mit Nerven besetzte Teil des Penis ist. Sie hat spezialisierte Nervenrezeptoren, die direkt mit dem Lustzentrum des Gehirns verbunden sind. Ihr intakter Sohn ist besser ausgestattet um alle Aspekte der körperlichen Liebe zu genießen, als seine verstümmelten Zeitgenossen. Der Mythos, dass amerikanische Frauen einen beschnittenen Penis bevorzögen, ist meiner Ansicht nach Frauen gegenüber abwertend. Es mag stimmen, dass US-amerikanische Frauen einer gewissen Generation und gewissen sozialen Hintergrundes mit größter Wahrscheinlichkeit eher mit dem beschnittenen Penis vertraut sein dürften als mit dem intakten Organ. Solche Vorurteile aber müssen als das Ergebnis der Massen-Beschneidungs-Kampagnen der 1950er-Jahre und keineswegs persönlicher Vorliebe oder gar Erfahrungen angesehen werden. Ich vermute aber, dass sowohl Frauen als auch Männer eher persönliche Qualitäten wie Rücksichtnahme, Freundlichkeit, Einfühlungsvermögen, Wärme und Hilfsbereitschaft an ihrem Partner schätzen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Beschneidung eines Jungen die Fähigkeit, diese Eigenschaften zu entwickeln, erhöht.   

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"Ihr Sohn muss beschnitten werden, damit er wie sein Vater aussieht!" 

Ein Kind ist eine Mischung aus dem genetischen Material sowohl seiner Mutter, als auch seines Vaters. Ein Sohn muss nicht wie sein Vater aussehen, er wird es auch nie. Jedes Kind ist ein einzigartiges Wesen, und diese Einzigartigkeit sollte geschätzt werden. Die Idee, dass ein Junge entsetzt wäre, wenn sein Penis nicht wie der seines Vaters aussieht, wurde erfunden um Eltern dazu zu bringen, ihre Sprösslinge beschneiden zu lassen. Dieses geheuchelte Mitgefühl entbehrt jeglicher medizinischer Grundlage.   

Es gibt keine veröffentlichen Berichte von einem intakten Jungen, der bestürzt gewesen wäre, weil seine Vorhaut nicht amputiert worden war, als ihm bewusst wurde, dass sein Vater hingegen beschnitten war. Wenn intakte Jungen mit beschnittenen Vätern ihre Meinung zu dem Thema äußern, verkünden sie durchgängig ihre immense Erleichterung und Dankbarkeit, dass ihnen diese Penisoperation erspart blieb. Sie äußern vielmehr ihre Traurigkeit über das Leid, das ihre Väter als Kinder erfahren haben. 

Gelegentlich erklärt ein beschnittener Vater, dass er das Kind beschneiden lassen will, weil er denkt, dass das eine Bindung zwischen ihm und seinen Sohn aufbauen würde. Es ist zwar eine wundervolle Sache, wenn ein Vater solch eine Bindung aufbauen möchte, aber durch eine Beschneidung kann dieses an sich würdige Ziel wohl mit Sicherheit nicht erreicht werden. Wenn ein Vater eine dauerhafte und bedeutungsvolle Bindung zu seinem Sohn aufbauen will, ist der beste Weg und vielleicht die einzige Möglichkeit das zu erreichen, viele schöne Stunden mit ihm zu verbringen und ihn seine Zuneigung erleben zu lassen. 

Traurigerweise haben mache beschnittenen Väter eine krankhafte Betrachtungsweise entwickelt und suchen nunmehr nach einem Vorwand um den Sohn ebenfalls beschneiden zu lassen. Das Kind in eine Lage zu versetzten, in der es fürchtet, dass ein Teil seines Penis abgeschnitten wird, kann man als Missbrauch der elterlichen Gewalt bezeichnen. Wenn Väter fordern, dass ihre Söhne beschnitten werden sollten, vermute ich, dass sie nur verzweifelt versuchen, ihre eigene Beschneidung zu rechtfertigen oder zu kompensieren. Die Gefühle, die manche Väter haben, wenn sie gezwungen sind, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass ein Teil ihres Penis fehlt, können so verstörend sein, dass sie alles daransetzen, mit diesem persönlichen Makel nicht alleine zu sein. 

Ein Vater, der seinen Sohn mutwillig und zwangsweise beschneidet, wird kaum Dankbarkeit, Zuneigung, Vertrauen oder Liebe gewinnen. Mir sind Fälle bekannt, wo solche Vorkommnisse permanent die Vater-Sohn-Bindung zerstört haben und die Liebe des Sohnes für seinen Vater in Wut und bittere Feindseligkeit gewandelt haben. In Situationen, wo ein Vater an solch einer bedenklichen Einstellung betreffend den Penis seines Sohnes leidet, halte ich es für das Beste für alle Beteiligten, insbesondere den Sohn, wenn der Vater verständnisvolle psychologische Beratung erhält, um ihm zu helfen sein Problem zu überwinden. Alle Kinder verdienen das sicherste, fürsorglichste und liebevollste Zuhause. 

Wenn Ärzte die wichtigen Funktionen der Vorhaut verstehen, werden sie auch begreifen, dass man fast alle Probleme der Vorhaut ohne deren Amputation(!) lösen kann. Einen Körperteil abzuschneiden, im Besonderen den empfindsamsten Teil des Penis, ist eine extreme Maßnahme, die auf extremste Umstände begrenzt sein sollte. Die einzige legitime Indikation einen Körperteil abzuschneiden sind akut lebensbedrohliche Krankheiten, akut lebensbedrohliche Missbildungen, sowie irreparable Gewebeschäden. Doch solche Indikationen treten extrem selten auf. 

Der beste Rat für die Pflege des intakten Penis ist einfach ihn in Ruhe zu lassen. Der intakte Penis bedarf keiner besonderen Pflege. Lassen Sie Ihren Jungen auf sich selbst Acht geben. Entsprechend seinem Alter wird er sich in angemessener Weise gerne um seinen Körper kümmern. Schließlich ist es SEINE Angelegenheit. Lehnen Sie sie sich zurück und vermeiden Sie es, sich um den intakten Penis Ihres Sohnes unbegründete Sorgen zu machen. Halten Sie sich stets vor Augen, dass die Vorhaut ein normaler, integraler, natürlicher Teil des männlichen Körpers ist. Wenn die überwältigende Mehrheit europäischer Jungen gesund und unbekümmert mit Vorhaut aufwachsen kann [], kann es Ihr Sohn auch. 

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Quellen 

  1. R. S. Van Howe, "Variability in Penile Appearance and Penile Findings: A Prospective Study," British Journal of Urology 80, no. 5 (November 1997): 776-782.
  2. J. Winberg, I. Bollgren, L. Gothefors, M. Herthelius, and K. Tullus, "The Prepuce: A Mistake of Nature?" The Lancet 8638, no. 1 (March 1989): 598-599.
  3. S. M. Downs, "Technical Report: Urinary Tract Infections in Febrile Infants and Young Children," The Urinary Tract Subcommittee of the American Academy of Pediatrics Committee on Quality Improvement, Pediatrics 103, no. 4 (April 1999): e54.
  4. M. A. Gill and G. E. Schutze, "Citrobacter Urinary Tract Infections in Children," Pediatric Infectious Disease Journal 18, no. 10 (October 1999): 889-892.
  5. R. Kerwat, A. Shandall, and B. Stephenson, "Reduction of Paraphimosis with Granulated Sugar," British Journal of Urology 82, no. 5 (November 1998): 755.
  6. Rosemary Romberg, Circumcision: The Painful Dilemma (South Hadley, Mass.: Bergan & Garvey, 1985).

Wenn Ihr Arzt oder Gesundheitsdienstleister jemals empfehlen sollte, dass Ihr Kind beschnitten werden sollte, holen Sie sich die Meinung eines Arztes ein, der die wichtigen Funktionen der Vorhaut versteht, egal, als wie angeblich "dringend" die Situation hingestellt wird. 

[Deutschsprachige Webadressen:]

http://www.phimose-info.de/

Englischsprachige Organisationen:

National Organization of Circumcision Information Resource Centers (NOCIRC). PO Box 2512, San Anselmo, CA 94979-2512415-488-9883. Fax: 415-488-9660. www.nocirc.org/

Ärzte/innen können diese Organisation kontaktieren und ihnen beitreten. (DOC ist nicht auf die USA beschränkt, sondern hat auch viele internationale Mitglieder!) 
Doctors Opposing Circumcision (DOC). 2442 NW Market Street #42, Seattle, WA 98107. 360-385-1882. Fax: 360-385-1948.http://www.doctorsopposingcircumcision.org/

Eine Quelle speziell für Kranschwestern/pfleger:
Nurses for the Rights of the Child. 369 Montezuma #354, Santa Fe, NM 87501. 505-989-7377. www.cirp.org/nrc/

Für Informationen über die alternative Bris für jüdische Eltern
Circumcision Resource Center. Ronald Goldman, PhD. PO Box 232, Boston, MA 02133. 617-523-0088. www.circumcision.org/

Einer der besten Informationsquellen in Internet: 

The Circumcision Information and Resource Pages. www.cirp.org/
Einige wenige Seiten wurden ins Deutsche übersetzt so die FAQ zur Beschneidung, sowie die Seite zur Therapie der Phimose  

Bücher

  1. Denniston, G. C., F. M. Hodges, and M. F. Milos, eds. Male and Female Circumcision: Medical, Ethical, and Legal Issues in Pediatric Practice. Kluwer Academic/Plenum Press, 1999.
  2. Goldman, Ronald. Circumcision: The Hidden Trauma. Vanguard, 1996. Illingworth,
  3. Ronald S. The Normal Child: Some Problems of the Early Years and Their Treatment. Tenth edition. Churchill Livingstone, 1991.
  4. O'Mara, Peggy, ed. Circumcision: The Rest of the Story. Mothering, 1993.
  5. Ritter, Thomas, and George C. Denniston. Say No to Circumcision! Second edition. Hourglass, 1996.
  6. Goldman, Ronald. Questioning Circumcision: A Jewish Perspective. Vanguard, 1997.
  7. Hoffman, Lawrence A. Covenant of Blood: Circumcision and Gender in Rabbinic Judaism. University of Chicago Press, 1996. 
  8. Weiner, Kayla. Jewish Women Speak Out: Expanding the Boundaries of Psychology. Canopy Press, 1995.
  9.  

[Bedeutende Deutschsprachige Artikel in medizinischen Fachzeitschriften]

  1. Stehr, M., Schuster, T., Dietz, H.-G., Joppich, I."Die Zirkumzision - Kritik an der Routine." Klin Padiatr 2001; 213: 50-55 
  2. Rachenwald M. "Phimose: ein Plädoyer für die Vorhaut.Universimed. 2005 May URL: http://urologie.universimed.com/artikel/phimose-ein-pl%C3%A4doyer-f%C3%BCr-die-vorhaut
  3. Stehr, M., Putzke, H., Dietz, H-G. "Zirkumzision bei nicht einwilligungsfähigen Jungen: Strafrechtliche Konsequenzen auch bei religiöser Begründung.Dtsch Arztebl 2008; 105(34-35): A-1778 

Bedeutende Artikel in medizinischen Fachzeitschriften

  1. DeVries, C. R., A. K. Miller, and M. G. Packer. "Reduction of Paraphimosis with Hyaluronidase." Urology 48 (1996): 464-465.
  2. Fleiss, P. M., F. M. Hodges, and R. S. Van Howe. "Immunological Functions of the Human Prepuce." Sexually Transmitted Infections 74 (1998): 364-367.
  3. Jorgensen, E. T., and A. Svensson. "Problems with the Penis and Prepuce in Children: Lichen Sclerosus Should Be Treated with Coricosteroids to Reduce Need for Surgery." British Medical Journal 313 (September 14, 1996): 692.
  4. Nolan, J. F., T. J. Stillwell, and J. P. Sands, Jr. "Acute Management of the Zipper-Entrapped Penis." Journal of Emergency Medicine 8 (1990): 305-307. 
  5. Shaw, Angus. "Africa to Address AIDS at Conference." Science (September 10, 1999).
  6. Van Howe, R. S. "Circumcision and HIV Infection: Review of the Literature and Meta-analysis." International Journal of STD & AIDS 10 (1999): 8-16. 
  7. Van Howe, R. S. "Does Circumcision Influence Sexually Transmitted Diseases? A Literature Review.British Journal of Urology International 83, Supplement 1 (1999 ): 52-62.

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