Die meisten Beschneidungen, die an Jungen während des Kindes- oder Jugendalters durchgeführt werden, sind unnötig: Sie sind das Resultat von mangelhaften Wissen über die Anatomie der Vorhaut, von Unkenntnis über therapeutische Alternativen, von schlechtem Urteilsvermögens oder Fehldiagnosen von Vorhautproblemen. (1-4) In den seltenen Fällen, in denen wirklich ein pathologisches (behandlungsbedürftiges) Problem besteht, wird oft zu einer Zirkumzision geraten, obwohl sanftere, schonendere, billigere und nichtschädigende Behandlungsmöglichkeiten, die keine Amputation mit sich bringen, genauso effektiv sind. (5, 7)
Die meisten Vorhautprobleme lassen sich durch die richtige Pflege des normalen (unbeschnittenen) Penis vermeiden.
Während der ersten Lebensjahre ist das innere Vorhautblatt der männlichen Vorhaut noch mit der Eichel verklebt. (8-10) Die Lösung dieser zwei Strukturen voneinander ereignet sich langsam auf natürliche Weise im Laufe der Zeit. Dieser Vorgang sollte niemals vorangetrieben werden. Versuche, die Vorhaut von der Eichel zu trennen und die Vorhaut vorzeitig zurückzuziehen, schädigen die Elastizität des präputialen Schließmuskels und verursachen Verletzungen, Narbenbildung und Infektionen, die manchmal so schwerwiegend sein können, dass später tatsächlich die Notwendigkeit einer Beschneidung heraufbeschworen wird.
Die Vorhaut wird normalerweise bis zum 18. Lebensjahr zurückziehbar. (10) Selbst wenn die sich Vorhaut vor diesem Zeitpunkt von der Eichel löst, kann die Vorhaut dennoch nicht zurückziehbar sein, weil die Vorhautöffnung immer noch sehr eng und nur dehnbar genug ist um das Wasserlassen zu ermöglichen. (11, 12) Die Bestimmung der Vorhaut ist es, genau wie ein Ventil zu arbeiten: Sie lässt den Urin heraus, aber keinen Schmutz hinein. Das ist der Grund dafür, warum sie so eng ist. Die erste Person, die die Vorhaut eines Kindes zurückzieht, sollte immer der Junge selbst sein. (13) Die Vorhaut zurückzuziehen ist gewöhnlich schmerzhaft und kann Probleme wie etwa Infektionen, Verwachsungen und/oder eine erworbene (pathologische) Phimose verursachen. (13)
Wenn die Spitze der Vorhaut sich rötetet erledigt sie einfach ihren Arbeit nämlich die Eichel und den Harnröhrenöffnung zu schützen. (14) Dermatitis ammoniacalis gemeinhin auch als Windelausschlag bezeichnet, ist die Folge wenn Bakterien in den Fäkalien mit dem Urin reagieren. (14)
Andere Ursachen beinhalten:
Ausreichend Wasser trinken, warme Bäder, Baterienersatztherapie (flüssige Acidophilus Kultur eingenommen und 4 bis 6 mal am Tag auf die Vorhaut), und „unten ohne“ rumzulaufen helfen bei der Heilung. (14)
Laut der Heath Care Financing Administration (USA - aber in anderen Ländern gelten ähnliche Regeln), setzt eine medizinisch indizierte Zirkumzision eine Beschwerde des Patienten voraus, eine Diagnose einer Pathologie [krankhaften Zustandes] oder körperlichen Anomalie, und eine konservative Behandlung für die diagnostizierte Erkrankung vor der Operation.(15) Die Beschneidung von Säuglingen erfüllt keine Kriterien für eine medizinisch notwendige Operation, weil keine dokumentierte Pathologie, keine körperliche Anomalie und keine Beschwerde seitens des Patienten vorliegt. (16-18) Routinebeschneidung ist folglich nicht-therapeutisch. Die Amerikanische Ärztevereinigung erklärt: „Die Begriff ‚nicht -therapeutisch‘ ist ein Synonym für elektive Zirkumzisionen, die immer noch häufig an neugeborenen Jungen in den USA durchgeführt werden.“ (19)
Die männliche Beschneidung ist traumatisch,(20) destruktiv,(21) entfernt schützendes und erogenes Gewebe,(21) und ist deshalb nicht im besten Interesse des Patienten.(22) Nachgeburtliche Beschneidungen von Jungen sind nicht medizinisch gerechtfertigt außer in seltenen Fällen und nur nachdem alle weniger invasiven Behandlungsalternativen versucht wurden. (23)
Im folgenden werden nun die häufigsten Gründe, die fälschlich angegeben werden um Kinder nach der neonatalen Phase zu beschneiden.
So dass Kinder, wie ihre Gleichaltrigen aussehen; oder weil Immigrantengruppen etwas übernehmen, was sie für eine "soziale Norm" halten; oder weil Eltern wollen, dass ihre Kinder der Mehrheit oder der brauchtumsmäßigen Praktik ihrer eigenen ethischen oder religiösen Subkultur gerecht werden. Da Weltweit die meisten Männer unbeschnitten sind, und Bevölkerungen heutzutage sehr mobil sind, würde dieser Uniformitätsgrundsatz verlangen, dass Jungs nicht beschnitten werden.
Die meisten Ärzte in den USA (und Deutschland) werden kaum oder gar nicht über die Struktur, die Funktionen, die Entwicklung und Pflege des normalen, intakten Penis ausgebildet. Folglich können sie ein Problem diagnostizieren, dass einfach gar nicht existiert. Die nicht-zurückziehbare Vorhaut ist in der Kindheit normal, und wird nur mit zunehmenden Alter zurückziehbar. (10, 24); Dieser Ablösungsprozess bedarf normalerweise keiner Behandlung außer natürlich, die Eltern zu beruhigen, dass ihr Kind vollkommen normal und gesund ist. (2, 23) Die Leitlinien des Amerikanische Kinderärzteverbands erklären, dass die Vorhaut sich manchmal nicht vor dem 18. Lebensjahr zurückziehen lässt. (25) Solange sie keine Schmerzen verursacht, ist es auch kein großes Problem, wenn sich die Vorhaut niemals vollständig zurückziehen lässt. Viele Männer haben ihr ganzes Leben lang eine Phimose und sind vollkommen glücklich damit. Obwohl es gelegentlich ein Ärgernis sein kann, ziehen sie es offenkundig der radikalen Alternative vor-nämlich der, keine Vorhaut zu haben.
Obwohl der Englische Kinderarzt Douglas Gairdner den Mythos der infantilen Phimose 1949 widerlegte (9) machte er falsche Angaben über das Alter, ab dem die Vorhaut zurückziehbar sein sollte, indem er behauptete, dass die Vorhaut ab dem 3 Lebensjahr oder spätestens aber ab dem 5. Lebensjahr zurückziehbar sein sollte. Das ist zu übereilt. Wright (1994) bezeichnet Gairdners Werte als ungenau (13), trotzdem lernten viele praktizierende Ärzte diesen "Fakt" während ihres Medizinstudiums. Folglich haben viele Ärzte ein falsches Verständnis von der normalen Entwicklung des Penis.
ØSTER (1968) (10) und KAYABA (1996) (24) liefern genaue Daten. Laut ØSTER, haben im Alter von 6 bis 7 Jahren 23% der Jungen eine vollständig zurückziehbare Vorhaut. Bis zum Alter von 10-11 Lebensjahren steigt dieser Wert auf 44%; Im Alter von 14 -15 Jahren haben 75% eine zurückziehbare Vorhaut, und im Alter von 16-17 Jahren haben 95% eine zurückziehbare Vorhaut. KAYABAS Werte sind ähnlich. KAYABA stellte fest, dass 16,7% der 3-4 Jährigen eine vollständig zurückziehbare Vorhaut hatten. Bei den 11 bis 15 Jährigen Jungen beträgt dieser Wert 62.9% .
J. Osters [6] Werte über die Zurückziehbarkeit der Vorhaut | ||
Alter | Gesamtanteil nicht zurückziehbar | Gesamtanteil zurückziehbar |
6-7 | 77% | 23% |
8-9 | 66% | 34% |
10-11 | 56% | 44% |
11-12 | 40% | 60% |
13-14 | 15% | 85% |
16-17 | 5% | 95% |
Kayabas Werte [13] über die Zurückziehbarkeit der Vorhaut | ||
Alter | Gesamtanteil nicht zurückziehbar | Gesamtanteil zurückziehbar |
0,5 | 100% | 0% |
1 | 96% | 4% |
2 | 94% | 6% |
3-4 | 83% | 17% |
5-7 | 73% | 27% |
8-10 | 60% | 40% |
11-15 | 37,1% | 62,9% |
Eine Phimose, die durch Balanitis xerotica obliterans (BXO) verursacht wurde, ist an einem weißlichen Ring von erhärteten Gewebe nahe der Vorhautspitze erkennbar. Diese Verengung verhindert das Zurückziehen der Vorhaut. (26, 27) Die Diagnose von BXO, eine seltene Erkrankung die weniger als 0,6% und 1% der Jungen bis zu ihrem 15. Geburtstag betrifft, muss durch eine Biopsie bestätigt werden. BXO ist normalerweise ohne Operation behandelbar. (28) [stark wirksame Steroide (Clobetasolpropionat) in Form von Salben]
Wenn eine nicht zurückziehbare Vorhaut (ohne BXO) Probleme bereitet, wie etwa Schmerzen bei der Erektion oder Risse, kann die Vorhaut durch sanfte Dehnen (29) und/oder Behandlung mit topischer Steroidsalbe (Betamethason 0.05% oder Clobetasolproprionat 0.05%) im Zeitraum von 30 bis 60 tagen. (5-7) Die seltenen Fälle, die auf Dehnen /und medikamentöse Behandlung nicht anschlagen, können durch eine Vorhauterweiterungsplastik (wie etwa der Triple Inzision) behandelt werden, eine konservativen minimal-invasiven Operation. Diese gibt es in Form eines begrenzten Dorsalschnitts mit transversalen Verschluss, (30-32) oder zwei lateralen Schnitten mit transversalen Verschluss. (33) [oder drei Einschnitten mit transversalen Verschluss "Triple Inzision". (40, 41)] Trauma, Schmerz und die Morbidität [Nebenwirkungsrate] sind bei diesen neuen Vorhautplastiken viel geringer als bei der traditionellen Beschneidung. (30-33)
Körperliches Trauma, Reizstoffe exzessives Waschen, Seife, oder Infektionen sind die häufigste Ursachen einer Balanitis (Entzündung der Eichel), die protozoaler, fungaler, viraler bakterieller Natur sein kann. Dier auslösende Faktor kann manchmal schwer zu diagnostizieren sein. ESCALA UND RICKWOOD empfehlen einen Abstrich zu machen; (34) BIRLEY UND EDWARDS empfehlen eine Biopsie. (34)
Die richtige Behandlung kann nicht bestimmt werden ehe eine korrekte Diagnose des ausländen Faktor gestellt wurde. (34-36)
Wenn die Balanitis durch ein Trauma verursacht wurde wie etwa "Vorhaut Befummelung" oder durch das vorzeitige gewaltsame Zurückziehen der Vorhaut, müssen diese traumatische Handlungen einfach eingestellt werden. (34)
Wenn häufiges Waschen und/oder die Verwendung von Seife oder anderen Reizstoffen eine Balanitis verursachen, sollte das Waschen eingestellt werden und der jeweilige Reizstoff gemieden werden. (36)
Wenn die Balanitis durch eine Infektion verursacht wurde, sollte das geeignete Antibiotika für den spezifischen Organismus ausgewählt werden. (35)
Die richtige Behandlung ist medikamentös, nicht chirurgisch. Die Vorhaut sollte intakt gelassen werden, da ihre Schutzwirkung (37) bei der Behandlung helfen kann.
ESCALA und RICKWOOD raten zur Beschneidung nur "nach rezidivierenden Anfällen von Balanitis die beträchtliche Schmerzen verursachen". (34) BIRLEY und Kollegen empfehlen die Beschneidung nur in Fällen von Balanitis Plasmacellularis (Zoon'sche Balanitis) und Lichen sklerosus, erklären aber, dass sie hilfreich wäre, wenn die Balanitis rezidiviert. (36) Sie verweisen allerdings darauf, dass mehrere ihre Balanitis Patienten beschnittene Männer waren, was beweist, dass die Beschneidung Balanitiden nicht vorbeugt. (36) EDWARDS rät zur Beschneidung, nur wenn es sich bei der Balanitis um eine Zoon'sche Balanitis oder eine Balanitis von Queyrat handelt. (35) Die Beschneidung kann die Inzident von Balanitis unter Jungen nicht reduziert. Preston erklärt dass „Balanitis tritt während der Kindheit selten auf, wenn die Vorhaut ihre schützende Funktion ausführt.“ (17) Van Howe stellte eine erhöhte Balanitis-Inzidenz bei beschnittenen Jungen fest. (38)
Es gibt kaum Hinweise und keinen Beweis dafür, dass eine Beschneidung gegen Balanitis eine effektive Behandlung darstellt. Die sachgemäße Behandlung besteht aus einer genauen Diagnose der Ursache der Entzündung durch Befragung, Kulturprobe, oder Biopsie. Wenn einmal die Ätiologie [Ursache] der Balanitis ermittelt wurde, muss der Reizstoff beseitigt und die richtige Therapie angewandt werden.
Einige nicht beschnittene Männer mit Diabetes mellitus leiden an rezividierenden Pilzinfektionen infolge hoher Zuckerkonzentrationen im Urin. Sorgfältige Kontrolle des Blutzuckers reduziert die Infektionen, wie auch die Einnahme oder die lokale Anwendung einer Acidophiluskultur (Bakterienersatz-Therapie).
Die Folgenden sind seltene Erkrankungen, die eine Indikation zur Beschneidung sein können:
Wenn die Vorhaut bis zum Punkt der Nekrose (Gewebstod) erfroren ist, kann eine teilweise oder vollständige Amputation erforderlich sein.
Es ist bekannt, dass Einzelpersonen, die an Diabetes oder chronischen Alkoholismus leiden, Kreislaufprobleme haben, die zu einem Gangrän (Wundbrand) an der Vorhaut führen können. In diesen extrem seltenen Fällen ist eine Zirkumzision indiziert.
Sollte eine bösartige Veränderung (Krebs) an der Vorhaut entstehen, ist eine Zirkumzision indiziert. Solche Malignome sind extrem selten.
Gute medizinische Praxis verlangt, dass sich Ärzte über Fortschritte in der Behandlung von Krankheiten auf dem laufenden halten.(23) In den 1990er Jahren wurden beträchtliche Fortschritte in der Behandlung von Vorhautkrankheiten erzielt. Das Festhalten an überholten Behandlungen, selbst nachdem bessere Behandlungsmethoden verfügbar wurden, kann zur Anfälligkeit für medizinrechtliche Komplikationen führen.(39) Die in diesem Dokument zur Verfügung gestellten Informationen, sollen Ärzten dabei helfen sich hinsichtlich der veränderten Behandlungsmodalitäten für häufige Vorhautprobleme auf dem neuesten Stand zu halten.
National Organisation of Circumcision Information Resource Centres
San Anselmo, California
Juli 2002