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Die Regierung hatte wohl die Rechnung ohne den Wirt gemacht, als sie die Beschneidung von Jungen kopflos und im Schnellverfahren in ein Gesetz presste. Die eher lächerliche Regierungsbegründung, in der belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse außen vor gelassen wurden, um das - aufgrund des vorherrschenden politischen Notstands - gewünschte Ergebnis nicht zu gefährden, überzeugt so wenig wie die schwer nachvollziehbare und teilweise widersprüchliche Formulierung.
Und die eigentlichen Fragen bleiben offen: Kann man in Sachen Beschneidung wirklich einfach nur darauf abstellen, welches Geschlecht das Kind hat? Harmlos beim Jungen, verbrecherisch beim Mädchen? Kann man mir-nichts-dir-nichts die Amputation eines Hautstücks, welches beim Erwachsenen, auseinandergefaltet, die Größe einer Postkarte hat und dessen mitamputierte Nervenstränge nicht nachwachsen können, einfach mal so als „Bagatelle“ bezeichnen, als ginge es um Maniküre oder Haareschneiden? Stehen der Genitalbereich, die Intimität und die sexuelle Selbstbestimmung eines Menschen der Regierung einfach zur freien Verfügung? Darf die Regierung die sexuelle Selbstbestimmung von Menschen auf dem Altar politischer Interessen opfern? Und befugt Religionsfreiheit denn wirklich dazu, Körperverletzungen an anderen Menschen vorzunehmen? Und wie steht es um die Garantie der Ausübung der "ärztlichen Kunst" und der vom Ethikrat verlangten "angemessenen Schmerzbehandlung"? Diese Punkte sind das Feigenblatt eines ansonsten handwerklich mittelmäßigen Gesetzes.
Viele Juristen tun das, was die Bundesregierung nicht getan hat. Sie untersuchen die Sach- und Rechtsfragen mit großer Sorgfalt. Und viele kritisieren das Legalisierungsgesetz auf das Schärfste. Im Bereich Strafrecht (es gibt daneben noch Zivilrecht und Öffentliches Recht) ist es mittlerweile herrschende Meinung, den § 1631 d BGB abzulehnen.
Deutlich wird, dass allenfalls das Erziehungsrecht der Eltern als Verfassungsrecht zu berücksichtigen wäre, aber dieses ist nur ein Mandat zum Wohle des Kindes, kein Freibrief für einen unnötigen, schwerwiegenden Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines Jungen aus rituellen Gründen. Abzuwarten bleibt, ob Klage vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erhoben werden wird. Für die Betroffenen selbst steht dieser Weg meistens nicht offen wegen der fast immer vorliegenden Verjährung ihrer Ansprüche.