Betrug an den Krankenkassen in großem Stil?

Überblick

Abrechnung der Phimose

Die Kosten einer medizinisch "kunstgerechten" Beschneidung belaufen sich in der Regel auf etwa +/- 400€, nach oben offen. Da sich natürlich die Frage ergibt, wer denn nun die Genitaloperation des Jungen bezahlen soll, liegt die Versuchung sehr nahe, die Diagnose "Phimose" vorzutäuschen. Sie ermöglicht eine zumeist ungeprüfte, reguläre Abrechnung des Eingriffs mit der Krankenkasse.

In der einschlägigen medizinischen Fachliteratur werden allerdings Zahlen zwischen 80% und 95% echter Phimosen genannt, welche allein durch eine salbenunterstützte Dehnbehandlung erfolgreich behoben werden könnten.

Die wirklichen Beweggründe für eine Beschneidung sind daher in Wirklichkeit die religiösen Vorstellungen der Eltern, das mangelnde Wissen des behandelnden Arztes über den Wert und die Entwicklung der Vorhaut, oder im schlimmsten Fall das Profitstreben oder gar der sexuelle Fetisch des Arztes.

Dass dennoch so viele (angebliche) "Phimosen" mittels Vorhautamputation behoben und abgerechnet werden, liegt offensichtlich daran, dass es sich bei dieser besonders häufig vorgenommene Operation um eine Einnahmequelle handelt, von der gesteigerten Bettenbelegung bis hin zum Betätigungsfeld der Jung-Chirurg/inn/en, welche vorzugsweise am kindlichen Penis erstmals schneiden dürfen. 

Aufgrund der finanziellen Interessen, die im Spiel sind, dürfen Eltern nicht ohne weiteres damit zu rechnen, dass sämtliche Ärzte getreu der Wahrheit und ihrem Eid diagnostizieren.

Es drängt sich folglich die Frage auf, warum nicht wenigstens seitens der Krankenkassen einer Überdiagnostizierung operationsbedürftiger Vorhauterkrankungen  entgegengesteuert wird. Nach dem Muster der KVHB (Bremen) können ohne Mühe sehr einfach alle Krankenkassen bereits an den Abrechnungszahlen erkennen, welche Ärzte in ihrem Einzugsgebiet lieber Vorhäute entfernen als Salben zu verschreiben. Dabei ist auch nicht zu entschuldigen, wenn Ärzte sich von Eltern mit oben genannten Motiven zu einer Beschneidung drängen lassen.

 

Kassenärztliche Vereinigung Bremen verägert über medizinisch unbegründete Beschneidungen

Bremen, im April 2010 

Die KVHB und die Berufsverbände stellen fest, dass …

… eine Zirkumzision ohne medizinische Indikation nicht zu Lasten der Kasse abgerechnet werden darf. Auch eine Überweisung zur OP ohne medizinische Begründung ist unzulässig. 

Die einzige Indikation, die eine Zirkumzision rechtfertigen kann, ist die manifeste Phimose; in der Regel sollte der OP allerdings ein konservativer Behandlungsversuch mit Steroid- oder Östrogencreme vorangegangen sein. Zirkumzisionen in den ersten drei Lebensjahren sind nur in Ausnahmefällen indiziert. 

Die KVHB und die Berufsverbände informieren darüber, dass …

… die Krankenkassen inzwischen in dieser Angelegenheit ermitteln. Es erhärtet sich der Verdacht, dass gehäuft Zirkumzisionen ohne medizinische Indikationen im Land Bremen zu Lasten der GKV vorgenommen worden sind bzw. von einzelnen Zuweisern offenbar Gefälligkeitsüberweisungen ausgestellt wurden. Auffällig waren unter anderem Eingriffe bei sehr jungen Kindern oder von Brüdern am gleichen Tag. 

Die KVHB und die Berufsverbände nehmen zur Kenntnis, dass …

… Ärzte von Eltern mit dem Wunsch nach einer religiös oder kulturell motivierten Beschneidung ihres Sohnes einem hohen Erwartungsdruck ausgesetzt werden. Dies gilt auch für das Zusammenspiel der Disziplinen. Pädiater fühlen sich häufig durch Operateure gedrängt, eine Überweisung mit entsprechender Diagnose auszustellen, wie auch die Operateure sich angesichts offensichtlicher Gefälligkeitsüberweisungen durch Pädiater zum Eingriff auf Kassenkosten genötigt sehen. 

Die KVHB und die Berufsverbände stimmen überein, dass …

… dieser Zustand umgehend beendet werden muss. Dies erfordert eine konsequente Ablehnung von Wunsch-Zirkumzisionen auf Kassenkosten durch alle beteiligten Professionen. Es ist davon auszugehen, dass künftig die Krankenkassen Überweisungen und Operationsleistungen verschärft überprüfen werden. Die KVHB empfiehlt deshalb eine sorgfältige Dokumentation des Befundes und ggf. konservativer Therapieversuche. 

Mit einem mehrsprachigen Informationsblatt wird die KVHB betroffene Praxen bei der Kommunikation mit Eltern unterstützen. Darin wird deutlich gemacht, dass eine Zirkumzision auf Kassenkosten nicht ins Belieben der Ärzte gestellt ist, sondern eine Straftat (Betrug) darstellt, wenn sie ohne korrekten medizinischen Befund durchgeführt wird. 

Kassenärztliche Vereinigung Bremen (KVHB) 

Schwachhauser Heerstr. 26-28, 28209 Bremen 

Telefon: 0421 / 3404-0, Telefax: 0421 / 3404-109

 

Oberösterreichische Gebietskrankenkasse: Fehlerhafte Informationsbroschüre 

In Oberösterreich dagegen fühlt sich die Krankenkasse sogar dazu bemüßigt, für derartige Operationen noch werben. Mit Gewalt wollen die offensichtlich ihr Geld loswerden, das sie nicht einmal haben:
 
Da gibt es bei der OÖGKK folgenden Folder
 
http://www.ooegkk.at/mediaDB/MMDB119045_Folder%20Hoden%20Kleinkind2007.pdf
 

 Darin wird apodiktisch behauptet:

    Ab dem 3. Lebensjahr werden hochgradige Vorhautverengungen durch eine Operation korrigiert.“ [Basta. Alternativen dazu sind der OÖGKK offenbar unbekannt und eine Zustimmung des Betroffenen ist offenbar auch nicht vorgesehen? Anm. d. Verf.]
    Verklebungen der Vorhaut mit der Eichel oder geringfügige Verengungen  müssen meist erst später behandelt werden. Spätestens bis zum Schuleintritt sollte jedoch ein Vorhautproblem gelöst sein!

Verklebungen der Vorhaut mit der Eichel sind physiologischer Natur, warum muss ein physiologischer Zustand behandelt werden? 

Was hat eine Phimose mit dem Schuleintritt zu tun? 

Spätestens mit Beginn der Pubertät weitet sich die Vorhaut durch die Sexualhormonproduktion von selbst, und nur weniger als 1% der Buben haben nach der Pubertät damit noch ein Problem. In Österreich haben aber bereits bei Eintritt der Pubertät 14% der Jungen die Vorhaut und teilweise noch andere Teile des Penis (Frenumlum, Teile der Schafthaut…)  entfernt bekommen. Jedweder Eingriff am Penis ist nur dann gerechtfertigt, wenn es tatsächliche Probleme gibt, beispielsweise eine chronisch entzündete Vorhaut oder Eichel. Und selbst in diesen Fällen stehen heutzutage eine Reihe effektiver konservativer Behandlungsmethoden zur Verfügung. Die Entfernung von Gewebe -noch dazu erogenem (sexuell empfindlichem) Gewebe wie die Vorhaut- sollte somit nur das allerletzte Mittel sein.

 

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